Dienstag, 31. Oktober 2006

Üben für die Kriege der Zukunft

Wasser kommt ja hier nicht einfach aus dem Hahn, wie man das in Deutschland so gewohnt ist. Im Sommer, der hier demnächst so richtig losbrennt, wird in vielen Strandorten das Leitungswasser rationiert: 24 Stunden für die eine Dorfhälfte, die nächsten 24 Stunden für die andere. Oder so ähnlich. Glücklich, wer einen großen Wassertank besitzt. Die anderen füllen Flaschen und Eimer und Schüsseln. Und waschen an den trockenen Tagen im gleichen Wasser erst die Haare und dann die Wäsche.

Dabei ist Brasilien reich. Das Land verfügt über nahezu 15 Prozent der gesamten Süsswasserreserven der Erde. Nur die Verteilung ist ungerecht - wie ja überhaupt das Meiste hier in Brasilien ungerecht verteilt ist. Im menschenarmen Amazonasgebiet ist überreichlich Wasser, der gesamte Nordosten hingegen muß mit kümmerlichen drei Prozent auskommen. Und wie von allen Dingen nehmen sich auch vom Wasser die Reichen am meisten. Die haben in ihren Strandhäusern Swimming-Pools im Hollywood-Stil, in denen sie jede Woche mehrere Kubikmeter Wasser austauschen. Wenn es richtig heiß wird, berieseln manche ganztägig ihr Hausdach aus dem Gartenschlauch – zur Kühlung. Und damit es nicht so staubt, sprengen sie außerdem die Strasse vor ihrem Haus mehrmals täglich. Jeder Brasilianer verbraucht statistisch gesehen mehr als 400 Liter Wasser am Tag. Wenn die einen ihre Pools füllen, bleibt für die anderen nicht mehr viel übrig.

Das ist auch im Paradies nicht anders. Das Paradies ist ein winziger Abschnitt einer Steilküste in einem Nationalpark südlich von Recife. In einem Nationalpark darf natürlich eigentlich niemand wohnen. Weil aber schon Bewohner da waren, bevor der Park geschützt wurde, leben doch Menschen hier: Für die Alt-Eingesessenen gilt das Gesetz nicht. Für das öffentliche Wasserwerk gilt es sehr wohl: Es darf für die Paradiesbewohner keine Wasseranschlüsse legen. Der Vorteil daran: Wo keine Anschlüsse sind, kann auch nicht rationiert werden. Also haben sich manche der Nationalparkbewohner ein paar Meter Rohre gekauft, haben nachts das Hauptrohr auf der Hauptstrasse angezapft und ihren eigenen Anschluß gelegt. Weil das Ganze schnell gehen mußte, und weil das Paradies auf Granit ruht, haben sie die Rohre nicht sehr tief vergraben. Das heißt: Es ist ziemlich leicht, die illegalen Rohre noch illegaler anzuzapfen.

Das tun anscheinend jeden Tag neue Nachbarn bei unserem Wasserrohr. Bei mir kommt nämlich seit Tagen nur noch kümmerliches Tröpfeln an. Und gestern, als ich unter der Dusche stand, ist auch das Tröpfeln versiegt. Als ich das meinem Vermieter erzählt habe, hat der heute ganz früh morgens brutal und konsequent alle Schmarotzer von unserer Leitung abgekoppelt. Daraufhin sprudelte es hier wieder üppig. So ein paar Stunden lang. Dann hat sich wohl einer der Abgekoppelten gerächt und unsere Leitung mit einem schweren Stein gesprengt. Die Kriege der Zukunft werden ums Wasser geführt, sagen Experten. Üben die Paradiesbewohner schon für die Kriege der Zukunft?

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