Sonntag, 30. August 2009

Brasília

Bin die Woche in Brasília, weit weg von Tollwut und anderen Dorfgeschichten. Statt dessen: ganz große Hauptstadt. Wie das so ist, erzähle ich hinterher.

Dienstag, 25. August 2009

So ist das auf dem Dorf : Vom toten Fohlen, der Tollwut und einem tollen Grillabend

Es fing damit an, dass letzte Woche mein Fohlen lahmte. Vielleicht hatte es ein Huf getroffen, als fremde Pferde in der Nähe gestritten hatten. Es war keine Wunde zu erkennen, aber das kommt vor. Normalerweise nur eine Frage der Zeit. Also gab ich ihm Entzündungshemmer, ein paar Extra-Vitamine und wartete ab. Am nächsten Morgen konnte die Kleine nicht mehr aufstehen. Das ist schlecht bei einem drei Monate alten Fohlen, denn dann erreicht es Mutters Zitzen nicht mehr. Inzwischen weiß ich, wer im Dorf alles melken kann. Und dass so eine Mutterstute bis zu 20 Liter Milch am Tag produziert. Wir haben die mühsam ermolkenen Mengen mit Kuhmilch ergänzt, außerdem gab es Antibiotika – für alle Fälle.

Am nächsten Tag fragte das ganze Dorf ständig danach, ob es der Kleinen schon besser ginge. So ist das auf dem Dorf. Die Nachbarin offerierte Kokosnüsse, weil deren Wasser die beste Nährlösung ist. Ein Anderer holte beim Gesundheitsposten Nährsalzlösung für Durchfallpatienten. Ein Dritter baute einen Sonnen- und Regenschutz, und ich legte ihr ein improvisiertes Kissen unter den Kopf, damit sie mit dem Auge nicht auf dem Boden zu liegen kam. Abgesehen von wilden Schlürforgien, besonders bei der Muttermilch, wurde das Fohlen trotzdem sichtlich schwächer. Hatte es in der ersten Nacht noch mit den Vorderbeinen eine rechte Grube ausgehoben, bei den Versuchen, aufzustehen, wedelte sie am dritten Tag nicht mal mehr mit dem Schweif gegen die Fliegenbelästigung an.

Derweil waren in der Umgegend drei andere Fohlen und ein erwachsenes Pferd verstorben. Einer hatte sogar einen Tierarzt gerufen, der allerdings nur etwas von Knochenkrankheit wegen der kalten Nächte gefaselt hatte. Die verschriebenen Medikamente brachten nichts, außer dass das Pferd am Folgetag verstarb. Ein Fohlen hatte den Besitzer beißen wollen und Schaum vor dem Mund – Anzeichen von Tollwut. Bei Tollwut bricht auch oft die Hinterhand zusammen. Aber es gehört Fieber dazu. Am Abend des dritten Tages hatte mein Fohlen Fieber. Und das Jungpferd eines Bekannten war in der Hinterhand zusammen gesackt.

Als er deswegen zur Veterinärhandlung im Stadtzentrum fuhr, sah er dort ein großes Plakat hängen: Achtung Tollwut! Anscheinend grassierte der Virus bereits seit Wochen im Bezirk. Und der Bürgermeister hatte es für ausreichend gehalten, im Stadtzentrum seiner großflächigen Gemeinde auf die Gefahr hinzu weisen. Es hatte sogar eine kostenlose Impfkampagne gegeben. Nur wir hier auf dem Land wussten von nichts. Das ist das Schlechte am Landleben. In der Zwischenzeit hatte das Fohlen einen Helferfinger mit der Mutterzitze verwechselt und zärtlich in den Finger gebissen. Am vierten Tag, am Sonntag, war mein Fohlen tot. Es hatte weißlichen Schaum vor dem Maul.

Am Wochenende haben bei der Stadtverwaltung alle frei, keine Notfallnummer erreichbar, nichts. Am Montag zeigten die Behörden dafür umso größeres Interesse an meinem toten Fohlen. Tollwut ist tödlich. Auch für Menschen. Sobald die ersten Symptome auftreten, ist es schon zu spät. In Stundenfrist kam ein offizieller Tierarzt die Leiche abholen. Erst eine Obduktion kann einen gesicherten Befund ergeben. Dafür muss das zu untersuchende Gehirn noch frisch sein. Trotz der noch schwachen Beweislage mussten wir direkten Helfer umgehend ins zwei Busstunden entfernte Recife fahren, denn nur dort konnten wir uns die Anti-Tollwut-Lösung spritzen lassen.

Im ersten Krankenhaus sagte der Mann an der Pforte: „Wir nehmen heute keine Notfälle mehr an, wegen Überlastung.“ Das darf er natürlich so nicht sagen, weil das öffentliche Gesundheitssystem für jeden da ist und jeden zu behandeln hat. Wir haben trotzdem nicht auf Behandlung bestanden: Im Warteraum hockten Dutzende Grippeopfer mit und ohne Mundschutz – Ansteckung garantiert.

Im zweiten Krankenhaus verpasste uns eine freundliche Oberschwester die erste von insgesamt 5 Spritzen mit Impfstoff gegen Tollwut. Nur die Antivirale Lösung durfte sie uns nicht geben, weil die von einer Ärztin verordnet werden muss. Zwei Busse und eine Stunde später standen wir in einer Schlange im dritten Krankenhaus. Hinter uns ein Grippeopfer, vor uns ein mürrischer Trainingshosenträger, sonst noch im Raum: vier Krankenschwestern, zwei Ärzte, und wechselnde Notfälle. Einmal hing eine ältere Diabetikerin so in den Seilen, dass schnell das Elektroschock-Gerät geholt wurde. Dann sprang ein Mann in Shorts und ohne T-Shirt herein, dem die Hände auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt waren. Aus seinem Verband am Unterschenkel tropfte Blut auf den Boden. Später erzählte uns der Arzt, der Mann habe ins Haus der Diabetikerin eingebrochen – auf der Gesundheitsstation trafen sich Opfer und Täter schneller wieder, als sie wohl geahnt hatten.

Wir bekamen jeder insgesamt vier Spritzen. Zwei mit Kortison, damit die Antivirale Lösung keinen Allergieschock auslöste, zwei mit der Lösung selbst. Nebenwirkungen unerheblich, sagte der Arzt, bisschen Müdigkeit vielleicht. Ärzte untertreiben in solchen Fällen immer, aber dieser war der größte Untertreiber, der mir je unter gekommen ist. Nach der vierten Spritze hatte ich Mühe, die drei Meter bis zur Wartebank zu schaffen. Und als ich artikulieren wollte, wie es mir ging, kam nur ein lalles Nuscheln aus meinem Mund. Wie sollte ich die drei Busse und mindestens ebenso viele Stunden Fahrt nach Hause nur schaffen?

Jedenfalls musste ich dringend vorher noch auf Toilette gehen. An der Bushaltestelle wusste ich nicht mehr: War ich auf Toilette gewesen oder nicht? Leider wusste es mein Begleiter auch nicht mehr. Im zweiten Bus wurde mir klar: Ich war nicht. Der dritte Bus kam nicht. Mit einer Horde Abendschüler standen wir in der Nacht, und wenn es irgendwo einen trockenen Platz gegeben hätte, wäre ich gerne dortselbst eingeschlafen. Leider nieselte es, was die Sache mit der vollen Blase nicht leichter machte . Nach einer Stunde kam der Bus, aber eigentlich passte keiner mehr rein. Der Vorteil daran war, dass wir nicht umfallen konnten, selbst wenn wir es versucht hätten. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich den Hügel zu meinem Haus hinauf gekommen bin. Ich weiß nur, am nächsten Morgen bin ich in meinem Bett aufgewacht.

Kurz darauf klingelte das Telefon. Eine Dame von der Behörde wollte wissen, wie viele andere Personen noch mit dem Fohlen Kontakt gehabt hätten. Die müssten alle geimpft werden. Habe ich heute umgehend an alle Betroffenen weiter gegeben. „Brauch ich nicht“, sagte der eine. „Ich hab Angst vor Spritzen“, sagte der andere. „Ok, mach ich morgen oder so“, meinte der dritte. Das kommt davon, wenn keiner die Leute darüber aufklärt, welche Gefahr Tollwut bedeutet. In einem anderen Viertel sollen die Leute aus dem frisch verendeten Rind noch einen tollen Grillabend gemacht haben. So ist das eben auch manchmal auf dem Dorf.

Dienstag, 18. August 2009

Globo-TV und der Bischof


Wer hätte das nicht schon länger geahnt? Dass die ach so edlen Pastoren der vielen evangelischen Freikirchen und Sekten hier in Brasilien nicht immer rein spirituell motiviert sind? Hier auf dem Dorf jedenfalls ist nicht zu übersehen, dass neben dem Groß-Unternehmer nur der Pastor ein neues Auto fährt und ständig schicke Anzüge trägt. Beachtlich ist auch, dass es in unserem kleinen Dorf gleich drei Kirchen solcher Gemeinden gibt. Muss alles finanziert werden. Also gehört es zumindest zum Pastorendasein dazu, ordentlich Spenden einzutreiben.

Kürzlich zeigte TV Globo in den Abendnachrichten Filmausschnitte, die scharf darauf schließen lassen, dass für den Bischof der Igreja Universal, Edir Macedo, das Spendensammeln längst zur Hauptbeschäftigung geworden ist: Während eines fröhlichen Bolz-Zusammentreffens mit anderen Unter-Pastoren seiner Kirche erzählt er seinen Jungs, wie sie die Gläubigen am besten um ihr Geld erleichtern. Und wird dabei ziemlich deutlich. Die Schäfchen sollten das eindeutige Gefühl bekommen: wenn sie spenden, kommen sie in den Himmel, wenn nicht, gehe es abwärts in die Hölle. Und dass die Pastoren dabei nur nicht zu zimperlich vorgingen, mahnt ihr Kirchoberhaupt: „Bescheidene Pastoren machen keine Schnitte“. Poltern und donnern muss der geistliche Geldeintreiber „ständig im Kampf gegen den Dämon“, ein Held sein, ein Retter – und vor allem ein Kämpfer für die Kirchenkasse. Selbst kann Macedo das übrigens bestens.

Mit dem reichlich fließenden Ablass-Geld lassen es sich die Kirchenoberen gut gehen. Während es bei unserem Dorfpastor nur für ein neues Auto reicht, so hat Macedo sich neben anderen Immobilien gleich zwei Wohnungen in Miami leisten können. Gemeinsam mit anderen Seelenhütern feiert er seine Erfolge bei – ebenfalls gefilmten – Ausflügen in die Inselwelt von Angra dos Reis oder bei fröhlichen Tänzen mit den Kollegen. Besonders spirituell wirkt das alles nicht. Besonders neu ist es aber auch nicht.

Problematisch wurde die materielle Ausrichtung des Bischofs vor allem dadurch, dass er 2007 den TV-Sender Record kaufte – und seitdem eifrig daran bastelt, dem bislang nie herausgeforderten brasilianischen Einschalt-Sieger TV Globo knallharte Konkurrenz zu machen. Ungeniert kopiert Macedo die erfolgreichsten Globo-Formate – und macht seine Kopie nicht selten besser als das Original: Kein Problem mit den Spenden-Milliarden. So gut läuft die kirchliche Vergnügungsmaschinerie, dass sie TV Globo in letzter Zeit bedrohlich nahe kommt – und den Spitzenreiter in der Gunst des Publikums gelegentlich gar überholt. Genau das dürfte der Grund sein, warum TV Globo den Laien-Filme über Edir Macedo ganze neun Minuten bester Sendezeit gewidmet hat.

Schön ist das sicher nicht für die Gläubigen, zu sehen, wie ihre geistigen Vorbilder grölend lachen über ihre eigenen plumpen Sammelmethoden. Wie sie sich auf die Schenkel klopfen und so gar keinen Respekt für ihre Schäfchen zeigen. Seit dem 10. August sind der Bischof und neun seiner Mitstreiter außerdem angeklagt wegen Bandenbildung und Geldwäsche – weil sie das Spendengeld ins Ausland verschafft und wieder zurück geschmuggelt haben sollen, um es so für ihre Zwecke umwidmen zu können.

Natürlich konnte der Oberpastor solche Angriffe nicht ewig schweigend hinnehmen. Am Wochenende ließ er nun - in einer entsetzlich langatmigen Antwort-Sendung im eigenen Sender - verbreiten, dass TV Globo selbst allerlei Dreck am Stecken habe, angefangen von behaupteten illegalen Verflechtungen mit am Fall beteiligten Richtern und Staatsanwälten bis hin zum angeblich von Beginn an illegalen Erwerb des ganzen Senders. Höhepunkt der Sendung war schließlich ein Interview mit Macedo, zu dem dieser – ganz der einfache Gottesmann – im selbst gesteuerten Privatwagen anrollte, und frech behauptete, die Spenden-Millionen würden ausschließlich zum Bau von Kirchen und für gute Werke verwendet. Seine Gegner bei TV Globo hätten Angst vor ihm und seinem Erfolg, sagte der Bischof. Früher hätten sie Angst gehabt, er könne sich zum Präsidenten von Brasilien wählen lassen, jetzt fürchteten sie, er könne höhere Einschaltquoten erreichen.

Zu den in den Nachrichten gezeigten Filmen und seinen eigenen hässlichen Worten darin, sagte der Bischof nichts. Statt dessen sprach er von religiösen Vorurteilen und rief dazu auf, „die Kirche müsse in diesen Zeiten harter Angriffe besonders stark wachsen.“

Ich fürchte, die Schäfchen werden ihm auch das abnehmen. Was ist anderes von Menschen zu erwarten, die glauben, sie kommen in den Himmel, wenn sie nur genug Spenden abdrücken?

Das Foto zeigt eine der Immobilien des Bischofs.

Dienstag, 11. August 2009

Der Tod auf dem Müll und das verkaufte Sofa

Es gibt hier in Brasilien einen Witz über einen betrogenen Ehemann. Was macht der Betrogene, als er erfährt, seine Frau hat auf dem Wohnzimmersofa mit einem anderen geschlafen? Er verkauft das Sofa.


In Maceió, der Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas*, ist am 30. Juli ein Kind zu Tode gekommen. Der zwölfjährige Carlos André da Silva Santos war auf dem städtischen Müllberg eingeschlafen, und wurde am nächsten Morgen von einem Traktor überrollt, dessen Fahrer das Kind unter einem Haufen Pappe nicht gesehen hatte. Der Traktor zerquetschte den Kopf von Carlos, das Leben des Jungen war nicht mehr zu retten.

Natürlich erhob sich im Volk Empörung angesichts dieses grausamen Todes. Was hatte der Junge auf dem Müllberg zu suchen, fragten manche. Als sei es nicht hinlänglich bekannt, dass ganze Familien auf und neben Müllbergen leben, weil sie aus diesen ihren Lebensunterhalt heraus sammeln. Warum ist er eingeschlafen, fragten andere. Als sei es unvorstellbar, dass ein zwölfjähriger Müllsammler abends erschöpft zusammensackt, ohne sich groß darum zu kümmern, wo er sich gerade befindet. Wer ist schuld an diesem Tod, fragten viele. Vor allem, als bekannt wurde, dass genau diese Müllhalde eigentlich schon seit zwei Jahren hätte desaktiviert werden sollen.

In so einer Lage erwartet das Volk eine Aussage vom Bürgermeister. Und was sagte Cícero Almeida? Er sagte: „Der Müllplatz wird sofort eingezäunt und außerdem werden wir ihn grell erleuchten.“ Da er keine näheren Erklärungen zu diesen geplanten Maßnahmen lieferte, bleibt nur, zu spekulieren: Kinder, die trotz des Zauns künftig auf den Müllplatz klettern, sollen dort wenigstens nicht einschlafen können, weil das helle Licht sie vom Schlafen abhält? Kinder, die auf den Müllplatz wollen, sollen das Ziel ihrer Wünsche nur noch im hellen Licht anstarren können, wie eine unerreichbare Schaufensterauslage? Kinder, die statt zur Schule auf den Müllplatz gehen, sollen dort auf eine ganz andere Weise erleuchtet werden?

Sollte Cícero Almeida je von seiner Frau auf dem Sofa betrogen werden, ist wohl anzunehmen, dass er umgehend das Sofa verkaufen würde.


* Alagoas ist der brasilianische Bundesstaat mit dem zweitniedrigsten Index für menschliche Entwicklung (IDH).

Fotos: Müllhalde - cwollowski, Carlos André - www.tudonahora.com.br

Donnerstag, 6. August 2009

Erwachsener Ringelpiez im Regen


Ringelpiez ist so ein Wort, das meine Oma gelegentlich verwendet hat. Nach meiner Oma habe ich es glaube ich nie mehr gehört. Und mit Aerobic hat es sowieso nichts zu tun. Zu dem, was ich gestern erlebt habe, passt es trotzdem. Es gibt nämlich neuerdings einen Aerobic-Kurs hier im Dorf. Montag und Mittwoch abends, mit richtiger Lehrerin und mitten auf dem Dorfplatz - der ja seit dem letzthin erfolgten halbmillionenschweren Umbau erleuchtet ist, wie ein Fußballplatz. Erfahren habe ich davon beim Capoeira-Training. So als Tipp von einer rundlichen Mit-Capoeirista, wie wir Frauen uns noch ein bisschen fitter machen könnten für die schwereren Bewegungen. Der Aerobic-Kurs sei umsonst und echt gut.

Montag war ich in der Stadt und nicht rechtzeitig zurück. Aber gestern hatte ich nach der Bürozeit nur ein bisschen Yoga gemacht und nichts Dringendes vor. Schmiss mich also in Shorts, T-Shirt und Flip-Flops - meine Turnschuhe haben ja leider die Beuteltiere gefressen – und stieg den Hügel hinab zum Platz. Unterwegs traf ich einige, deren Bekleidung ahnen ließ, dass sie dasselbe Ziel hatten wie ich: knallenge, fluoreszierende Leggings, noch engere Tops, dazu nagelneue Turnschuhe und reichlich Deo-Duft. Auf den neuen Betonbänken am Platz saßen nochmal ein bis zwei Dutzend Wartende. Und es kamen immer mehr.

Punkt halb acht ging es los. Der Ringelpiez. Alle sollten wir uns an den Händen fassen und einen großen Kreis bilden. Es wurde eher ein großes Ei. Aus vielleicht 50-60 Dörflerinnen, von 16 bis 60 und einem Dörfler um die 60. Die Lehrerin, um die 50, knackiger Hintern und ziemlich runder Bauch, machte uns dann vor, wie wir uns in Form bringen sollten. Und zwar laut singend: „Ich trainiere meinen ganzen Körper… mit meinem Finger“, darauf folgen winzig kleine Drehungen des Zeigefingers, einmal links, einmal rechts. Weiter im Text: „Ich trainiere meinen ganzen Körper mit meiner Hand“, Drehung der Hand, einmal links, einmal rechts. „Ich trainiere meinen ganzen Körper… mit dem Arm“, frei schwingender Trizeps bei den meisten in der Runde zeigte: Wir haben diesen Kinderkram hier nötig. Weiter ging es mit dem lustigen Spruch für den Fuß, das Bein, die Hüfte, die Brust und den Hintern. Beim Hintern stöhnte meine Nachbarin, eine ältere Dame, und meinte: „Wenn das so weiter geht, dann lernen wir hier noch tanzen wie Maicon Jackson.“ Ich fand vor allem die Sprüche anstrengend. Die sang meine Nachbarin freudig im Chor mit.

Dann durften wir im Ei laufen, immer im Takt zu „Don‘t stop til you get enough“ – das sah leider bei keiner von uns so richtig aus wie bei Michael Jackson. Auf Zuruf der Lehrerin griff sich jede ihre Vorläuferin und auf ging‘s zum Ringelpiez mit Anfassen, wie meine Oma das genannt hätte: Paarübungen, bei denen wir uns an den Händen fassten, gegenüber standen, abwechseln die Beine hoben, in die Knie gingen, uns in den Hüften wiegten und so fort. Dabei begann es zu regnen. Erst sanft wie eine sprühende Erfrischung, dann immer stärker.

Während mir meine Gesichtscreme im Auge brannte, sprangen die anderen Mädels ungestört weiter herum. Ihre engen Lycra-Klamotten behielten auch klatschnass ihre Eins-A-Passform, während ich langsam aussah wie beim Wet-T-Shirt Contest. Keiner schien es etwas auszumachen, durch die Pfützen zu platschen. Wir hielten durch, eine ganze Stunde lang. Am Ende sagte meine Mit-Capoeirista fröhlich zu mir: „Und, ist doch klasse, oder?“ Dann schrie sie ihre Tochter an, die sich gerade aus dem Schutz des Vordachs einer Dorfkneipe hervor wagte: „Bist du wahnsinnig, geh sofort aus dem Regen!“ War wohl eher ein erwachsener Ringelpiez im Regen.

Montag, 3. August 2009

Schlagzeilen um ein phänomenales Dickerchen

Ist schon gemein, wenn jeder eine persönliche Schwäche sehen und darüber Witze machen kann. Schlagzeilen hat er deswegen mehr als reichlich wegstecken müssen: Er sei zu dick, er sei nicht in Form, er esse zu gern. Jeder Besuch im Grillrestaurant wurde kommentiert, Privatfotos genüsslich von der Klatschpresse zelebriert. Die immer besonders bissigen Engländern ertappten den Stürmer im vergangenen Jahr gar bei einer Auszeit wegen Verletzung in Calvin-Klein-Unterhose, mit Zigarette und einem Bauch, den sie fies mit dem einer im vierten Monat schwangeren TV-Moderatorin verglichen – dazu behauptete „The Sun“: Ronaldo und Louise Redknapp könnten locker ihre Klamotten tauschen. Das Belegfoto dazu:



Noch gemeiner die folgende Fotomontage, die eine Zeit lang auf diversen Sites zu sehen war:



Als selbst Präsident Lula dem Superstar während der Weltmeisterschaft 2006 Übergewicht unterstellte, schlug der endlich und treffend zurück. Das war nicht schwer, ist doch die empfindlichste präsidiale Schwäche hinlänglich bekannt: „Ich rede ja auch nicht über Lulas Alkohol-Konsum“, kommentierte Ronaldo in einem Interview. Seitdem herrscht prominentes Stillschweigen: keiner der beiden hat je wieder öffentlich an den wunden Punkt das anderen gerührt. Genutzt hat das dem Fußballer wenig: Die Fans ergänzten trotzdem frech seinen Spitznamen „das Phänomen“ zu „der phänomenale Dicke“.

Ob das an seinem Ego gefressen hat? Oder hat seine Frau Bia ein Machtwort gesprochen? Jedenfalls wollte der Dicke es eigentlich geheim halten. Tagelang wand sich sein Verein „Corinthians“ in Kommentaren wie: „Wer behauptet, er habe sich die OP nicht genehmigen lassen?", „Ja, der Verein weiß Bescheid, aber wir sagen nicht, ober er hat oder ob er nicht hat!“. Auch der Arzt hielt sich bedeckt: „das unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.“ Und Torwart Felipe witzelte: „Falls er das gemacht hat, wird er noch schneller über den Platz fliegen als jetzt schon!“

Darauf darf man sich gefasst machen, denn jetzt ist es raus: Er hat! Nämlich: Fett von seinem phänomenalen Bauch absaugen lassen.

Zwei Gläser reines Fett sollen es gewesen sein, 700 ml mit einem Gewicht von 2 Kilo. Und zwar hat der Dicke das am vergangenen Mittwoch vor der ohnehin notwendigen Hand-OP machen lassen, um so die notwendige Schonzeit gleich doppelt zu nutzen. Die Spezialisten hatten natürlich sofort allerlei Kommentare bereit. Ein Schönheitschirurg behauptet: Alles im grünen Bereich – üblicherweise lassen sich die brasilianischen Männer zwischen 50 und 800 ml Fett aus den Flanken saugen, also liegt Ronaldo im statistischen oberen Mittel. Außerdem sei gerade diese Flankenfettansammlung genetisch bedingt und durch Gymnastik nicht zu besiegen. Fußballspezialisten behaupten, die Schönheits-OP könne den Spieler länger als die Hand-OP vom Rasen fern halten. Kollege Bill, der derweil als Stürmer beim Corinthians für den pausierenden Ronaldo einspringt, sagt halb solidarisch, halb im Scherz: "Fett habe ich mir bisher nicht absaugen lassen, aber mit dieser hässlichen Visage könnte ich eine Schönheits-OP gut gebrauchen."

Eins ist sowieso klar: Dick bleibt Ronaldo auch mit 2 Kilo weniger. Falls er sich die in den zwei bis vier Wochen Zwangspause nicht ohnehin wieder anfuttert. Egal.

Die Fans hat der Dicke nämlich längst auf seiner Seite. Nicht wegen der Fettabsaugerei, sondern wegen seiner phänomenalen Leitungen bei den brasilianischen Meisterschaften „Brasileirao“. Fan Nilson Cesar spricht in seinem Blog garantiert für viele: „Dieser Ronaldo ist wirklich phänomenal. Übergewichtig aber phänomenal! Er legt immer im richtigen Moment los und schafft es, auf minimalem Raum Wunder zu tun (…)! Ohne den Dicken ist der „Corinthians“ ein anderes Team! Er mag bei seinem ersten Auftritt ausgesehen haben wie ein Sumo-Ringer, aber er nimmt sein Comeback ernst. Ich würde ihn nach Südafrika mitnehmen! Glückwunsch, phänomenales Dickerchen!"

So wird die Schwäche womöglich noch zum Markenzeichen. Und mal ehrlich: so dick ist der Dicke nun auch wieder nicht!



alle Fotos aus dem Netz ohne Angaben zu den Fotografen
 
Add to Technorati FavoritesBloglinks - Blogkatalog - BlogsuchmaschineBrasilien