Montag, 27. Juli 2009

Romário, para onde?


Morgen, so berichtet die Zeitschrift Veja, wird eine Penthouse-Wohnung im Viertel Barra da Tijuca zwangsversteigert. Bisheriger Besitzer: Romário de Souza Faria, 43, Ex-Fußballer und einer der größten Stürmer der Fußballgeschichte. Während Ronaldo, das Phänomen, sich schwergewichtig und zielsicher in einen zweiten Aufstieg kickt, geht es mit seinem Ex-Kollegen steil bergab.

Dabei hatte der Mann sich erst letztes Jahr in die Rente verabschiedet – nachdem er mit den 1000 Toren des Idols Pelé gleichgezogen hatte (manche behaupten, er habe beim Zählen geschummelt und auch Trainingstore mitgerechnet). Damals hatten allein die beiden Vereine Flamengo und Vasco Schulden in Höhe von umgerechnet fast 10 Millionen Euro bei ihm. Der als großzügig bekannte Romário hatte den Vereinen in Finanzschwierigkeiten mit Privatkrediten ausgeholfen, damit sie ihre Spieler bezahlen konnten. Zu seiner aktiven Zeit war Romário der bestbezahlte Spieler Brasiliens: er bekam knapp 170.000 Euro monatlich bei eben den Vereinen, denen er später half.

Die einen nennen ihn „großzügig“. Dafür spricht die Geschichte, als Romário einem Kumpel seinen Ferrari geliehen hatte. Der Kumpel fuhr den Wagen unbeabsichtigt ziemlich Schrott. „Po peixe*“, soll Romário nur gesagt haben, „jetzt ist mein Wagen hin!“ Der Wahrheitsgehalt der Story ist nicht belegt – aber sie ist nicht unwahrscheinlich. Großzügig ging der Großverdiener auch mit seinen finanziellen Verpflichtungen um. Manche vergaß er einfach. So soll er die Nebenkosten seines Penthouses seit 2003 nicht bezahlt haben – insgesamt eine halbe Million Euro. Dazu kommen Steuerschulden in Höhe von 370.000 Euro. Wegen verschleppter Unterhaltszahlungen an seine beiden ältesten Kinder in Höhe von mehr als 30.000 Euro war er kürzlich sogar 22 Stunden im Knast.

Andere nennen ihn „verschwendungssüchtig“. Der Profi-Fußballer lebte nämlich gerne wie ein kleiner König. Er hielt sich fünf Luxuskarossen gleichzeitig - neben dem Ferrari einen Porsche, einen BMW, einen Volvo und einen Hummer. Mit seiner dritten Ehefrau lebte er in seinem mehr als 770 Quadratmeter großen Penthouse mit eigener Sauna, Dampfbad und Heimkino. Und umgab sich mit einem Hofstaat, der ihn nicht immer gut beriet.

Die Folgen: Nicht genehmigte und schlecht ausgeführte Umbauten an seinem Heim haben Wasserschäden bei den Mietern unter ihm verursacht. Einer zog deswegen aus und verursachte so jeden Monat knapp 9000 Euro Mietausfall für den Besitzer der Wohnung. Der klagt auf mehr als 800.000 Schadensersatz. Eine ebenfalls nicht genehmigte Veränderung an der Fassade brachte zusätzlich einen Prozess von der Hausverwaltung ein. Das Mindestgebot für Romários Heim sind 3,3 Millionen Euro. Ungefähr ausreichend um die summierten Zahlungsverpflichtungen von 28 Prozessen zu begleichen. Dann bleiben immer noch mehr als 40 Prozesse übrig.

„Manchmal fehlte ihm die Orientierung“, sagt sein Berater aus den Jahren 1996 bis 2002 heute. Der musste damals gehen, weil er von den Umbauten abgeraten hatte.

Und wohin geht jetzt Romário?

* Peixe - also auf Deutsch "Fisch" nennt Romário gern seine Freunde
Foto: brasileirao.com

Mittwoch, 22. Juli 2009

Partyspaß oder Sextourismus

Die endgültige Entscheidung steht noch aus. Vorläufig aber wird es den Cityguide „Rio for partiers“ weiter geben. Aufgekommen sind diese Art Miniführer in den 1990ern, als Beihefte mancher Zeitschriften. In weiter verkürzter Form drucken vor allem Frauenzeitschriften bis heute Kurzinfos über Städte, für den Wochenendbesuch oder gar den 24-Stunden-Super-Kurz-Trip. Scheint gut anzukommen, die Mischung aus knapper Kultur und reichlich Konsum. Vor allem, weil die praktischen Infos mit Adresse und teils sogar Fotos immer von sogenannten Insidern kommen. Was in Europa läuft, geht auch in Brasilien. Vor allem in Rio.

„Rio for Partiers“ wirbt damit, der „erste Führer“ zu sein, der von jungen Leuten für junge Leute gemacht sei. Geschrieben hat ihn ein Brasilianer, der laut Selbstbeschreibung, Schriftsteller und Redakteur ist und bereits in Rio, Chicago und Wien gelebt hat. Er wollte sich daran orientieren, so sagte Cristiano Nogueiro, der sich gelegentlich auch als Designer bezeichnet, bei der Vorstellung der aktuellen Ausgabe, welche Tipps er seinen ausländischen Freunden für ihren Rio-Besuch geben würde. Neben reichlich Angaben zum besten Sandwich und diversen Clubs, in denen diverse brasilianische Musikstile zu hören seien. Die der Autor den Fremden kurz umreißt, wie folgt: Rio Funk klingt so, als wenn ein Geistesgestörter nach einer Unterrichtstunde Keyboard spielt. Bossa Nova klingt nach 50er Jahre, Strand und Frank Sinatra. Pagode ist Samba, mit allem, was sich auf einen Tisch trommeln lässt.

Lustig, oder? Stolz berichtet Nogueira auf der Homepage seines Führers: „Das Buch verbreitet die humorvolle, joviale, moderne und sportliche Seite der fantastischen Stadt Rio de Janeiro und hat bereits drei internationale Preise für touristische Veröffentlichungen gewonnen.“ Im Grunde ist das immer der gleiche Preis: einer, der von der Amerikanischen Vereinigung der Reisejournalisten jährlich verliehen wird.

Obwohl das Heft seit Jahren so gut beim Publikum ankommt, hat das brasilianische Fremdenverkehrsamt Embratur versucht, es mit einer einstweligen Verfügung aus dem Verkehrt zuziehen. Grund für den Ärger: ein paar der Tipps unter Freunden unter dem Titel: „Umgang mit den brasilianischen Frauen“

- Versuch nicht, deine Brasilianerin am Strand aufzureißen
- Versuch, so schnell wie möglich mit dem Küssen loszulegen
- Bestehe nicht darauf, zu ihr nach Hause zu gehen, sondern schlag einen Spaziergang in eine Gegend mit vielen Motels vor

Zum vereinfachten Aufriss hat Nogueira Rios Frauen kategorisiert. Möglicherweise uninteressant, jedenfalls nicht näher beschrieben, erscheint da zunächst das „normale Mädchen“. Es folgen:

- Typ Britney Spears. So etwas wie höhere Töchter. “Schön aber lassen nicht mit sich flirten”. Tipp: Lass sie links liegen.
- Typ Hippie oder Raver. Leicht anzuquatschen. Schwer zu küssen. Leicht, mit ihnen zu trinken und sich zu amüsieren.
- Typ über 30. Tanzen, trinken, küssen und vergnügen sich gern. Behandele sie wie eine Dame und du wirst ihr König sein, wenn nicht heute nacht, dann mit Sicherheit morgen.
- Typ Knackarsch. Sexmaschinen, die ins Fitnesstudio gehen und hautenge Hosen tragen. Immer eine gute Investition, da das Motel bei diesen Mädels immer im Bereich des Möglichen liegt.

Mag sein, dass der gemeine männliche Rio-Besucher tatsächlich Anderes im Sinn hat, als der männliche Besucher von, sagen wir, Wien oder Chicago, Städte für die Nogueiro bezeichnenderweise keine Cityguides veröffentlicht hat. Mag ebenfalls sein, wie Blogautor Alex M. Costa schreibt, dass Sextourismus in Brasilien keinerlei Förderung mehr benötigt, weil Schweinereien hierzulande sowieso an der Tagesordnung sind, vor allem in der Politik. Mag auch sein, dass die brasilianischen Frauen die schönsten der Welt sind, wie in einem anderen Blog behauptet wird. Nogueiras Freunde – und das erwartet er auch von seinen Lesern - jedenfalls haben eindeutig nur eines mit ihnen vor. Das finde ich durchaus bedauerlich.

Ob es aber tatsächlich diese Formulierungen waren, über die sich die Leute von der Embratur aufegergt haben, mag dahin gestellt bleiben. Der Führer ist nämlich bereits zum sechsten Mal erschienen – mit genau diesen Aussagen. Ein Leonardo Name hat vor Jahren in einer wissenschaftlichen Arbeit über „Rio for partiers“ dessen Zielgruppe seinerseits so kategorisiert: mit „junge Leute“ seien offensichtlich weiße, männliche, heterosexuelle Vertreter der Bourgeoisie gemeint – die ihre Selbstbestätigung durch das Praktizieren exhibitionistischer Sportarten und das respektlose Behandeln von Frauen bezögen. Kurz, ein Typ, der in Brasilien (vor allem in Rio) durchaus kritisch als „Playboy“ bezeichnet wird.

So weit, so bekannt. In diesem Jahr allerdings haben sich die Guide-Macher erdreistet, auf ihr Heft das offizielle Brasil-Logo der Embratur zu drucken, Und das ging dann wirklich zu weit. Gestern hat der Richter vorläufig entschieden: Nein, „Rio for partiers“ verletze nicht die nationale Politik der Embratur (die bekanntlich seit Jahren gegen das stereotype Bild eines Brasiliens voller halbnackter Sambatänzerinnen anwirbt). Nein, es verletze auch nicht die Würde der brasilianischen Frau. Also darf Nogueira schon mal fleißig Hefte nachdrucken: Die kostenlose Publicity dürfte die Nachfrage gewaltig steigern.

Montag, 20. Juli 2009

Das Ende der Killbills

Ich hätte es vermutlich erst bei Geruchsentwicklung gemerkt. Aber gestern fragte der Nachbar erneut nach den Killbills. Also habe ich die wieder leicht gewordenen Schachtel geöffnet, um ihm die Kleinen zu zeigen. Dort lagen sie. Lila angelaufen und reglos. Tot, alle neun. Keine Ahnung, ob der Mutter die Schachtel nicht gefallen hat, ob es ihnen bei den nächtlichen Regenfällen zu kalt geworden ist, außerhalb meines Schranks, oder was sonst zu ihrem Tod geführt hat. Ich gestehe, ich war traurig, als ich sie in den Müll verfrachtet habe.

Nachmittags ist dann zum ersten Mal eine der Katzen zu Besuch gekommen. Und heute morgen waren alle drei hier. Wie um mich über das Ende der Killnbills hinweg zu trösten. Immerhin.

Freitag, 17. Juli 2009

Der Umzug der Killbills

Eine Fischerhütte im Tropenwinter zwei Monate allein zu lassen, hat Folgen. Mit diesen Folgen bin ich seit drei Tagen beschäftigt - Hausputz wäre eine unvollkommene Bezeichnung. Angefangen hat es tatsächlich wie ein solcher: Spinnweben von den Wänden und den Dachziegeln kehren, Blätter und Federn auf dem Boden zusammenfegen, seltsame Feuchtflecken vom Boden wegschrubben (mäßig erfolgreich), Wäsche aus den Schränken auf große Waschstapel räumen, weil sie allesamt muffig riecht, als habe sie die letzten Monate in einem Kellerverlies verbracht, grauschimmelig angelaufene Holzmöbel abwischen und einölen und so fort.

„Und-so-Fort“ heißt unter anderem, neue Hausbewohner hinauswerfen. In meinen Brennholz-Vorrat haben sich so zahlreiche Termiten hinein gefressen, dass ich ihn lieber gleich weg werfe. Spinnen haben ihre Netze in allen Ecken gewoben, Kakerlaken ihre Nachkommen unter den Möbeln verteilt und Horden Mäuse oder Ratten sich inmitten der Säcke Pferdefutter sicher wie im Paradies gefühlt. Den Futterhaufen, den die Ratten in der Sattelkammer aufgehäuft haben, nutzen sie seltsamerweise nicht mehr. Als ich ihn auflesen will, merke ich warum: Millionen winziger schwarzer Ameisen wuseln darin, die ihren Wohn- und Futter-Haufen unter Einsatz von reichlich Giftstoffen verteidigen. Soweit der erste Tag.

Am zweiten Tag finde ich die Killbills. Rosa und nackt und vielleicht zwei Zentimeter lang liegen eine ganze Handvoll vermutlich nur wenige Tage alter Säuglinge warm und gemütlich zwischen meinen T-Shirts und Tops. Wenn die Katzen noch da wären, hätten sie ihre Entdeckung sicher nicht überlebt. Aber die Katzen kennen mich nicht mehr: sie sind zur Nachbarin umgezogen, weil die ihnen schließlich zwei Monate lang Futter gegeben hat. Und ich sehe mich nicht in der Lage, zwei Zentimeter lange Lebewesen zu töten. Also polstere ich eine Schuhschachtel mit einem alten Tuch und mehreren T-Shirts, schneide aus dem Deckel einen Eingang heraus und bette die Viecher um. Dabei fiepsen sie zart. Eigentlich sehen sie sehr nett aus, mit ihren kleinen Händen und Füßen, an denen richtige Finger zu erkennen sind. Aber was sind das für Tiere?

Mein Nachbar konstatiert nach einem fachmännischen Blick in die Schachtel: „Das sind Marsupiais“. Und zeigt mir gleich ein Foto seines ehemaligen Marsupial-Mitbewohners „Killbill“. Der sei so zutraulich gewesen, dass er sich zum gemeinsamen Fernsehen mit seinen Händen bei ihm festgehalten habe. Bis ihn vermutlich eine Katze erwischt hat. Das hier ist Killbill:


Marsupiais sind laut Internet Beuteltiere. Davon gibt es unzählige Sorten vom Känguru bis zu so etwas Ähnlichem wie einer Beutelspitzmaus. Gemein ist ihnen, dass die Kleinen immer bei der Mutter bleiben, notfalls an deren Zitzen festgebissen, wenn nicht alle in den Beutel passen. Wo ist also die Mutter von meinen Killbills? Geflohen, weil ich angekommen bin? Ermordet? Mein Nachbar sagt, seine Nachbarin habe die Mutter seines Killbills erschlagen.

Bald ahne ich, warum. Als ich in einer Schublade allerlei kurze Schnurstückchen finde, wundere ich mich noch. Ich erinnere mich nicht daran, solche Schnur besessen zu haben. Eine Fach weiter unten merke ich: Die Schnurstückchen sind, was von der Aufhängung meiner Hängematte übrig geblieben ist. Außerdem hat die Mama der Kleinen meine All-Stars in Fetzen geknabbert, hübsch großflächig verteilte Löcher und Haken in meine Capoeira-Hose, meine Kookai-Bluse und diverse andere Lieblings-Kleidungsstücke genagt. Marsupiais sind Allesfresser, hatte in dem Internet-Artikel gestanden. Stimmt, aber mit exquisitem Geschmack.

Nachts werde ich von einem Geräusch wach. Oben auf dem Dachbalken huscht ein Wesen entlang. Noch eins. Und noch eins. Ich gucke genauer hin. Es sind Ratten. Vermutlich auf dem Weg zum neuen Pferdefutter, das gestern angekommen ist. Wo bleibt das herzlose Weibsstück? Ob die Killbill-Mutter ihre Brut in ihrer Schachtel verhungern lässt? Im Morgengrauen werde ich wieder wach, diesmal von einem innigen Glucksen und Zirpen, Kollern und Schnalzen. Es kommt aus meinem Schrank. Aus der Schublade, in der vorgestern noch die Killbills ruhten. Ihre Mama ist da. Immer verzweifelter klingt ihr Gefiepe. Die Babys melden sich nicht. Müssen sie aber, sonst haut die Mama ab und kommt nie mehr wieder. Entschlossen stehe ich auf, gehe zur Babyschachtel und wedele ein bisschen mit dem Tuch darin herum, bis die Viecher endlich Laut geben. Als sie eine Weile gequiekt haben, decke ich sie wieder zu und überlasse den Rest der Mama: Marsupiais sollen sehr gute Ohren haben.

Heute kam mein Nachbar neugierig fragen, ob meine kleinen Killbills noch lebten. Als ich die Schachtel vom Schrank holen wollte, um nachzushen, war sie plötzlich ziemlich schwer geworden. Schnell stellte ich sie wieder zurück. Offensichtlich hat jetzt alles seine Ordnung, und die Killbills hängen da wo sie hingehören: an Mutters Zitzen. Wann sie wohl aus der Kiste kommen? Und ob sie sich dann alle neun mit ihren kleinen Händen zum Fernsehen an mir festhalten werden?
 
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