Mittwoch, 25. Oktober 2006

Lecker Mädchen

Die Bühne stand schon seit ein paar Tagen da. Aus Holz zusammengezimmert, mitten am Strand und nicht gerade aufsehenerregend. Aber diese Bühne bedeutet die Welt, die große Chance, den Ruhm! „Garota-verao“ steht oben drüber. Und Garota-verao, „Mädchen des Sommers“ wollen sie alle werden. Jedes Jahr schreiben sich Dutzende mutige Mädels aus den ärmeren Vierteln zum Wettbewerb ein. Immerhin können sie an einem einzigen Tag 500 Reais (knapp 200 Euro und mehr als ein brasilianischer Mindestlohn), ein Wochenende in einem Strandhotel und professionelle Aufnahmen mit einem Fotografen gewinnen. Und der Ruhm! Bedingung ist: über sechzehn und unter 22 müssen sie sein, ansonsten steht den Träumen nichts im Weg.

Die Sonne prallt, der Schweiß perlt, das Bier fließt aus Dosen lauwarm in geöffnete Münder. Die Zuschauer sind zu 99 Prozent männlich, jung und um ein Uhr mittags längst nicht mehr in der Lage, torkelfrei über eine Bühne zu defilieren. Zum Glück müssen sie auch nur ihr Fotohandy schußbereit halten. So von untern nach oben bieten sich faszinierende Einblicke, vor allem, wenn die Mädels das hauchzarte Tuch abstreifen, das bis dahin noch mehr als der Bikini verhüllt. „Gostosa“ rufen die Zuschauer. „Gostosa“ kann man nur auf kölsch übersetzen, dann heisst es „lecker Mädchen“.

Das ist eigentlich das Tollste an diesem Wettbewerb. Zwei Dutzend pummelige brasilianische Teenies fühlen sich mindestens so lecker wie Angelina Jolie. Egal, ob sie nur 1,50 groß sind, ob sich an der Hüfte Rettungsringe rollen, ob die Beine stämmig, x-förmig oder eher kurz geraten sind. Keine Minderwertigkeitskomplexe. Keine Vertuschungsstrategien: Mutig halten sie hin, was sie haben. Und die Zuschauer geben ihnen Recht: Je mehr Rundungen, desto lauter werden die „Gostosa“-Rufe von unten. Am Wichtigsten sind den Brasilianern weder Beine noch Brüste, Top-Attribut des lecker Mädchens ist ein knackiger Hintern, oder jedenfalls ein ausladender, schwingender, üppiger ... Also wird oben geschwungen und unten geblitzt bis die Handyakkus leer sind.

Als die Sonne langsam an Kraft verliert ist es soweit: die Gewinnerin ist auserwählt. Sie strahlt stolz und dreht sich noch einmal in Zeitlupe, um all ihre Vorteile zur Geltung zu bringen. Jetzt wird sie berühmt. Nein, das ist keine Illusion, Nein, es sind auch keine Talentscouts großer Modelagenturen hier in Gaibu. Aber irgendwann in den nächsten Tagen wird das Sommer-Mädchen auf einer Doppelseite in der Lokalzeitung „Gazeta do Cabo“ abgebildet. Und diese Doppelseite hat traditionell ein sehr langes Leben. An den Wänden von Kfz-Werkstätten, Getränkelagern, Tankstellen.

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