Montag, 2. Oktober 2006

Wenn das brasilianische Herz schmerzt

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, sagen die Deutschen. Bei den Brasilianern heißt das „was die Augen nicht sehen, spürt das Herz nicht“.

Aber jetzt haben es die Brasilianer gesehen. Das Geld. Dass Lula stark in Verdacht stand, hinter dem Dossier-Kauf* zu stecken, liess die Wähler unbeeindruckt. Es schien, als würden sie Lula trotzdem gleich im ersten Wahlgang im Amt bestätigen. So sicher war sich der Mann seines Siegs noch vor drei Tagen, daß er nicht mal zur TV-Globo-Debatte ging. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ein Polizist ihm einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ein kleiner Militärpolizist wollte dem großen Präsidenten schaden, und spielte die Fotos der Presse zu. Bilder von Bündeln von Banknoten. Öffentliche Gelder, mit denen das Dossier bezahlt werden sollte. Das tut dem brasilianischen Herz weh.

Auch dem Präsidenten schmerzt jetzt das Herz: Statt eines triumphalen Siegs im ersten Wahlgang, hat er nicht mal 50 Prozent der Stimmen bekommen. Es kommt also zur Stichwahl. Gegner Alckmin und der Verein „Für ein würdiges Brasilien“ wollten Lulas Kandidatur am liebsten noch vor der Wahl wegen des Dossier-Wahlverbrechens kippen. Das hat nicht geklappt – aber Alckmin hat über 40 Prozent geschafft und zeigt sich zuversichtlich: „Die Ethik wird über die Korruption siegen“, sagt er.

Abwarten. Bis zur Stichwahl dauert es mehrere Wochen. Bis dahin könnte womöglich noch ein neuer Skandal auftauchen. Oder die Untersuchungen über den Dossier-Fall könnten immer noch andauern. Oder die Wähler könnten das Foto bis dahin vergessen haben. Denn so lange schmerzt den Brasilianern das Herz auch wieder nicht. Zwei Drittel der Wahlberechtigten erinnern sich jetzt schon nicht mehr, für wen sie bei den Kommunalwahlen vor zwei Jahren gestimmt haben.

(*das sogenannte Serra-Dossier belastet José Serra, den ehemaligen Gesundheitsminister und frisch gewähltem Gouverneur von Sao Paulo, dem reichsten Bundesstaat des Landes: angeblich soll er im Gesundheitswesen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Für die Unterlagen wollten PT-Mitglieder 1,7 Millionen Reais bezahlen)

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