Donnerstag, 27. September 2007

Ich habe nicht gefurzt

Lobao ist dann doch noch was eingefallen. Der Rocksänger, der in den wilden 80ern schon mal wegen Wildheit aus seiner eigenen Band rausgeschmissen wurde, hat vorgestern bewiesen, dass ihm immer noch was einfällt.

Die meisten wissen schon lange nicht mehr, was sie sagen sollen, angesichts der hemmungslosen Korruption ihrer Politiker. „Ich schäme mich, Brasilianer zu sein“, schrieb ein in Italien lebender Brasilianer gar angesichts der jüngsten Senats-Entscheidung. Dessen Präsident, der ja eigentlich seinen Kollegen mit gutem Beispiel vorangehen sollte, tut seit Monaten geflissentlich das genaue Gegenteil. Eine Ex-Geliebte mit Kind tauchte auf, die reichlich Unkosten verursachte. Ein Privatunternehmer wurde gefunden, der all diese Unkosten womöglich bezahlt hat. Landwirtschaftliche Aktivitäten des Senatspräsidenten erschienen aus dem Nichts und sollten dessen Finanzstärke erklären – weil Calheiros natürlich beteuerte, er habe all das schöne Geld selbst an die Ex-Geliebte und den gemeinsamen Sohn gezahlt. Immer neue Erklärungen hat der Politiker gefunden. Trotzdem hat ein Parlementskollege den Fall vor die Ethik-Kommission gebracht. Nicht etwa jemand aus der Opposition – die fürchtet wohl Scherben im Glashaus – ein Vertreter einer Minipartei hat es gewagt, das Vorbild infrage zu stellen.
Die Kommission werde seine Unschuld beweisen, tönte der Senatspräsident daraufhin vollmundig und wies weiter all die fiesen Vorwürfe heftig und entrüstet von sich.

Inzwischen hat die Ethik-Kommission fertig recherchiert. Calheiros’ vorgebrachten Beweise sind keine, hat sie herausgefunden: Rinder haben ihn nicht reich genug gemacht, um die umfangreichen finanziellen Bedürfnisse seiner Ex-Geliebten zu befriedigen. Die Landwirtschaft war eine Art Second Life – frei erfunden. Es ist nicht nachgewiesen, woher die Unterhaltszahlungen kamen – Calheiros Behauptung, er sei finanziell dazu in der Lage gewesen, ist eine Lüge. Sagt die Ethik-Kommission. Und weil es in der Geschichte teilweise um Straftatbestände geht, hat sie den Fall Calheiros an den Obersten Gerichtshof weitergegeben - der allein kann Parlamentsangehörige richten. Und Calheiros? Calheiros leugnet weiter, ohne auch nur rot zu werden. Klammert sich an seinen Präsidentensessel und ruft: „Von diesem Stuhl kriegt mich keiner runter!“

Bisher ist ihm das sogar gelungen: Mit 46 Stimmen haben ihn seine Senatskollegen in der letzten Woche in geheimer Abstimmung vom Vorwurf freigesprochen, die Würde des Senats zu verletzen. Will sagen: Der Vorsitzende des Senats kann öffentlich lügen und betrügen, ohne dadurch die Würde des politischen Organs zu verletzen, dem er vorsteht.

Als hingegen letztens der Rocker Lobao ordentlich gekleidet zum Interview im TV-Sender „TV Senat“ antrat, bat der Programmdirektor den Sänger höflich, doch das T-Shirt zu wechseln, weil es nicht so gut in den Senats-Sender passe. Ob der Programmdirektor meinte, er müsse mit seinem Sender die Vorbildsfunktion erfüllen, die Calheiros offensichtlich schnuppe ist? Lobao jedenfalls hat sein T-Shirt nicht gewechselt. „Erst, wenn Ihr auch den Senatspräsident wechselt“, hat er gesagt.

Lobao ruft mit seinem Shirt zu einer neuartigen Anti-Korruptions-Bewegung auf. Die Idee kommt gut an: Sängerkollege Caetano Veloso hat sich bereits auf seine Seite gestellt, und im Internet haben sich reichlich Interessenten für das neue T-Shirt geoutet. Manche wollen das klassisch schwarze Shirt mit weißer Aufschrift am liebsten gleich an den Senatspräsidenten schicken. „Ich habe gefurzt“, steht da groß drauf. Und darunter: „aber ich war’s nicht.“ (Peidei, mas nao fui eu)

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