Sonntag, 30. September 2007

38 Grad sind zu viel für den Weihnachtsmann

Natürlich gibt es hier Weihnachtsmänner. Auch wenn Weihnachten so gar keine tropische Tradition ist. Es gibt sogar Weihnachtsverkäuferinnen, Weihnachtskassiererinnen, Weihnachtsparkwächter und Weihnachtsköche. Will sagen: Die brasilianischen Unternehmer lieben das Weihnachtsfest und seine Symbole so, daß sich spätestens vier Wochen vor dem Fest alles eine rote Weihnachtsmütze mit weißem Bommel überstülpen muss, was irgendwie Publikumsverkehr hat. Was ich noch nicht gesehen habe, sind Geschäftsführer oder Banker mit roten Mützen. Hübsch wären auch mal Weihnachtspolizisten. Vielleicht ist deren Job zu ernst für die Mütze.

Vielleicht hat aber auch nur das Budget der Stadtverwaltung nicht gereicht und sie bekommen ihre Mützen im nächsten Jahr. Die Geldknappheit in den Stadtkassen ist leicht erklärt: Die Stadtverwaltung erläßt den Einkäufern gerade in diesen Wochen, in denen die Läden sogar sonntags öffnen und der ganze Nordosten in Recife sein letztes Geld auszugeben scheint, sämtliche Parkgebühren. Überall, wo Parken am Strassenrand erlaubt ist, parkt man im Dezember umsonst. Das muß man sich mal in München, Berlin oder Düsseldorf vorstellen. Ein Millionengeschäft lassen die sich hier entgehen. Weihnachtsbegeisterte eben.

Aus Begeisterung hängen jetzt außerdem alle Hausbesitzer Lichterketten auf: die günstigsten gibt es für knapp einen Euro, da reicht das Geld bei den meisten Familien sogar für zwei oder drei der schmückenden Accessoires. Besonders beliebt sind solche, die in mehreren Farben blinken, wie früher auf Schulparties – und noch besser kommen die an, die zusätzlich einen internationalen Weihnachtshit à la „Jingle bells“ musizieren. Praktischerweise wird es in den Tropen schon um sechs Uhr abends dunkel, da können die trötenden Lichterketten und ihre Besitzer sich besonders ausgiebig selbst verwirklichen. Manchmal wetteifert eine ganze Strasse um die hellsten, buntesten und lautesten Ketten, und manchmal singen die Dinger sogar im Kanon. Dass niemand Probleme hat, bei der visuellen und akustischen Berieselung zu schlafen, muß ich wohl nicht extra erklären.

Vermutlich bin ich die einzige im Großraum Recife, der es trotzdem nicht recht gelingen will, eine Weihnachtsstimmung zu entwickeln. Trotz Weihnachtsmützen, Weihnachtslichterketten und Weihnachtsbäumen voller Flitter und Kugeln. Bei Kiefern und Tannen handelt es sich normalerweise um liebevolle, nahezu naturidentische Nachbildungen aus Plastik. Im Vorgarten werden aus Tannenmangel gerne mal Bananenstauden verpflichtet. Bananen am Weihnachtsbaum? Kann vorkommen. Sogar Palmen können Kugeln tragen, und selbst Birkenfeigen steht Lametta gar nicht schlecht.

In Schaufenstern hingegen bemühen sich die Dekorateure erfolgreich um höchstmögliche Authenitizität: von Elchen gezogene Schlitten sausen da auf Watteschnee durch die vollklimatisierte Gegend. Auf den schicken Schlitten thronen Weihnachtsmänner mit Rauschebärten und dicken Bäuchen und sehen sehr ehrwürdig aus. Ihre lebenden Kollegen auf der Strasse haben mehr zu tun. Pausenlos säuseln sie diensteifrig in ihr Mikro: „Treten Sie näher meine Damen und Herren, nie hat es so billige Uhren gegeben, wie heute hier im Uhrenparadies“, behaupten sie - oder was der Job eben sonst verlangt. Dabei läuft Ihnen der Schweiß unter der Mütze aus Synthetik hervor und rinnt bis in die Rauschebärte aus Watte. Gelegentlich kratzen sie sich verstohlen unter dem dicken Bauch. Weihnachten ist eben so gar keine tropische Tradition. Und 38 Grad Hitze sind zu viel für jeden Weihnachtsmann.

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