Sonntag, 8. April 2007

Der Rabbi kann nicht klauen

Heute ist Ostersonntag, und Pessach. Grund genug zum Vergeben und Verzeihen, findet der Koordenator der „Amigos Brasileiros do Paz Agora“.

Die Geschichte fängt in Florida an, vor knapp zwei Wochen.

Ein Mann mit blondem Topfschnitt schlendert durch Palm Beach, stöbert in einem Laden von Louis Vouitton, findet eine nette Designerkrawatte und steckt sie sorgfältig gefaltet in die Tasche. Dummerweise bezahlt er das kleine Souvenir nicht, bevor er den Laden verläßt. Und noch blöder ist, daß er beim Krawatten-Einstecken gefilmt wird. Da hilft es dem Blonden auch nichts, daß er Henri Sobel heißt, Ober-Rabbi von Sao Paulo und einer der wichtigsten Religionsführer Brasiliens ist und die Krawatte sofort bezahlen will, um den Fall zu vertuschen. In Brasilien hätte er damit vielleicht Chancen gehabt. In Palm Beach muß er die Nacht im Knast verbringen. Wie ein normaler Dieb.

Die Schmach der Nacht hat er überlebt. Gegen 3000 Dollar Kaution freigelassen, fliegt der Gottesmann nach Hause und gut ist.

Bis ein paar Tage später die einheimische Presse das Abenteuer des Rabbi entdeckt. Da leugnet Sobel sowohl Diebeshandlung als auch Knast – nicht einmal seiner Frau hat er von seinem peinlichen Zwangsaufenthalt erzählt. Als das nichts hilft, macht er es wie die Politiker und tritt erst mal zurück von seinem Amt des Präsidenten der Israelitischen Kongregation von Sao Paulo. Damit nicht genug. Eine Woche nach der Langfingeraktion in Florida gerät der Rabbi plötzlich endgültig emotional aus der Kontrolle (Im medizinischen Bericht heißt es: Stimmungsschwankungen und Verhaltensauffälligkeiten) und läßt sich ins größte Privat-Krankenhaus Sao Paulos einweisen. Er habe auf eigene Faust verschreibungspflichtige Psychopharmaka genommen, erklärt er den Pressevertretern. Später heißt es, er leide an schwerer Schlaflosigkeit. Jedenfalls war vor ein paar Tagen laut Ärzten noch nicht abzusehen, wann Sobel die Klinik wieder verlassen würde.

Inzwischen hat der prominente Dieb reichlich Mitleid erregt. Die Sobel-Anhänger finden: „Niemand ist perfekt, jeder macht mal Fehler“ und sammelten unter diesem Motto 5 Millionen elektronische Unterschriften für ihren Mann. Der Schauspieler José de Abreu findet: „Es ist im Endeffekt nicht so wichtig, ob er nun gestohlen hat oder ob Medikamente zu der Tat geführt haben. Wichtig ist, was er für Brasilien getan hat, vor allem für den Kommunismus im Land.“ Das wird sogar Sobel überraschen. Er wurde als Gegner der Militärdiktatur bekannt, trat als Menschenrechtsaktivist und Friedensstifter zwischen den Religionen hervor. Und jetzt hat er Krawatten geklaut. Kommt in den besten Familien vor. Und heute ist Ostern, Pessach, da werden zu den 5 Millionen sicher noch ein paar mehr Brasilianer verzeihen. Gestern ist Sobel aus dem Krankenhaus entlassen worden, seinen Job als Präsident hat er wieder, und im Mai wird er sogar den Papst treffen.

Eigentlich sollten wir uns freuen, daß es Männer wie Henry Sobel gibt. Erstens: Der Mann hat Geschmack. Er hat bei seiner Klepto-Tour in Palm Beach nur vom Feinsten mitgehen lassen: Neben der Louis Vuitton-Krawatte fand die Polizei in seinem Wagen weitere Krawatten ohne zugehörigen Kassenzettel von Giorgio's, Gucci und Giorgio Armani. Zweitens: Er kurbelt die brasilianische Wirtschaft an. Louis-Vuitton-Krawatten sind inzwischen die Verkaufshits in Sao Paulo, wo jeder Strassenhändler für ein paar Reais prima Imitate anbietet: Da muß künftig wirklich niemand mehr zum Dieb werden!

Drittens: Es gibt Menschen, die in Rabbi Sobel schon den perfekten Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl sehen. Dass er nicht klauen kann, hat er ja nun wirklich bewiesen.

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