Freitag, 27. April 2007

Clodovils kleine Bürorevolution

Er hatte es ja angekündigt. Nie mehr werde Brasília die gleiche Stadt sein, wenn er erst Abgeordneter wäre (siehe Post vom 12.2.). Eine halbe Million Wähler warteten gespannt, wie die Revolution des Ex-Modedesigners und Ex-TV-Moderators ausfallen würde. Jetzt ist sie da. Den Antrag dazu hat er weniger als einen Monat nach Amtsantritt gestellt.

Clodovil, der noch nie für diplomatische Zurückhaltung bekannt war, hat seine Rolle als Exot im Senat vom ersten Tag an offensiv gespielt: Im hellen Anzug mit Spazierstock leuchtete der Paradiesvogel mutig zwischen all den dunkel Gewandeten. Behauptete, er müsse erst noch lernen, wie die Kleidungsordnung unter Politikern so sei – und ließ sich auch später nie in Diskretes hüllen. Gab ohne Schamgefühle zu, daß er keine Ahnung hat, was PAC bedeutet*, und meckerte über den Präsidenten, weil der seine Ministerialreform nicht vorantrieb. Substantielles war von dem vorlauten Neuling zunächst nicht zu hören.

Clodovils erste richtige Rede hätten die anderen Abgeordneten in alter Tradition beinahe verpaßt vor lauter Privatgesprächen im Plenarsaal. Bis der Redner ungehalten schimpfte: „Das ist ja hier wie auf dem Marktplatz!“ Da hörten die 350 Politiker zu, was der Ex-TV-Mann ihnen zu sagen hatte. „Ich möchte euch lieben“, erklärte der bekennende Homosexuelle seinen Kollegen. „Ich bin dafür, dass Güte alle Handlungen in diesem Hause prägen sollte, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, daß die Güte die beste Medizin ist.“ Und dann rief er die anderen Berufspolitiker dazu auf, den Geiz, den Hochmut, die Faulheit und den Neid in sich zu besiegen.

Große Worte.

Vor ein paar Tagen konnte der anspruchsvolle Abgeordnete – im Gegensatz zu vielen Amtskollegen - ein erstes Ergebnis vorweisen: Er hat innerhalb nur eines Monats eine komplette „Reforma“ durchgeführt. „Reforma“ heißt auf portugiesisch auch „Renovierung“ – und Clodovil hat sein Büro von Grund auf neu gestaltet. Weg mit den Pressholz-Trennwänden. Statt dessen getönte Glasscheiben rein. Weg mit den dunklen Farben, den piefigen Aktenschränken. Aus 39 Quadratmetern Standard-Büroarchitektur ist ein individiualisierter heller Arbeitsplatz geworden, ganz im Stile Clodovil.

„Marta“, die Schlange, hat der Presse am besten gefallen. Die Bronzeskulptur mit dem Namen der Ex-Bürgermeisterin von Sao Paulo, der aktuellen Tourismusministerin und Intimfeindin des Abgeordneten. Marta Suplicy, windet sich dekorativ unter der Schreibtischplatte aus Glas – und ist das wohl am meisten fotografierte Detail der Deko-Orgie. An den Wänden: Clodovil selbst mit Hunden und exotischen Früchten, seine Adoptivmutter in einem vom Abgeordneten selbst gemalten Porträt, Pflanzen und chinesische Masken. Das Sofa stammt aus einem der teuersten Möbelläden des Landes, der tibetische Teppich wird auf 18.000 Reais geschätzt.

Zum Vergleich: Die wenigen Kabinettkollegen, die sich ebenfalls „Reformas“ haben genehmigen lassen, haben gerade mal eine Glaswand für 800 Reais eingezogen oder ein neues Sofa gekauft. Clodovil hingegen beziffert die Kosten seiner Büro-Revolution auf 200.000 Reais. Und die habe er ganz alleine bezahlt.

Was Clodovil nicht ganz so laut sagt, ist, daß er jetzt als Politiker auch wieder ins Fernsehen darf. Nicht nur gelegentlich in fremden Talkshows als Plauderpartner. Nein, er soll schon nächsten Monat wieder eine eigene Show bekommen. Darin soll es um aktuelle Ereignisse in Brasília gehen. Gedreht wird im Kongreß. Womöglich sogar in Clodovils Büro.

Das hat es noch nicht gegeben in der Hauptstadt. Der Mann hat nicht gelogen: Brasília wird nicht mehr die gleiche sein. Und die kleine Büro-Revolution hat sich richtig gelohnt.

*PAC ist die Abkürzung für Lulas neues Wirtschafts-Programm zur Beschleunigung des Wachstums

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