Dienstag, 22. April 2008

Ein neues Modem am Ende der Wewlt

Mein Dorf ist wie ein Ende der Welt. Paar Fischerkneipen am Platz, ein Supermarkt, eine Bäckerei, zwei Kirchen, eine Schule. Nachtleben Null. Macht nichts. Kulturelles Leben ebenfalls Null. Macht schon eher was. Auch deswegen war es eine große Freude, als hier endlich diverse Klein-Unternehmer Breitband-Internetanschlüsse angeboten haben. Ein Draht in die Welt!

Zuerst hat der Besitzer des Internetcafés sich einen legen lassen. Der hatte tatsächlich bis dahin sein Café mit gewählter Verbindung über die Telemar betrieben. Dao unterschrieb also den Vertrag sofort. Ich war die zweite, eine Woche später. 128 MB pro Minute sollte ich von nun an empfangen, Wahnsinn.

Große Hoffnungen machen einen schnell leichtgläubig. Die beiden Techniker installierten meine Antenne spät abends und änderten für den Empfang auch einige Einstellungen an meinem Computer. Nach ihrer Arbeit zeigte mir mein Computer 100 MB Leistung an – und das gleichbleibend ohne jede Schwankung. Theoretisch waren die 100 MB da, sobald das Antennenkabel Strom bekam. Tatsächlich waren es vielleicht 60 oder 80. Egal. Richtig frech fand ich die 100-MB-Anzeige nur dann, wenn ich gar keine Verbindung hatte. Was leider öfter vorkam.

Die Techniker hatten auch gesagt: 24-Stunden-Service. Beim ersten längeren Signalausfall rief ich die Festnetznummer an, um 9 Uhr morgens: Niemand da. Um halb elf erreichte ich eine freundliche Mitarbeiterin des Unternehmens „Point Net“, die mir versicherte, ein Techniker werde sich innerhalb der nächsten halben Stunde bei mir melden. Um 12 Uhr erreichte ich bei Point Net nicht einmal die freundliche Fabiana. Ebenso wenig um 14 und um 15 Uhr. „Wir haben bis 15 Uhr Mittagspause“, erklärte sie mir sanft um 15 Uhr 30. und der Techniker sei momentan leider nicht zu sprechen. Er werde sich aber am gleichen Tag noch melden.

Am nächsten Tag hatte ich wieder Internet – wer wird da darüber meckern, dass davor kein Anruf gekommen war. Dao, der Vorreiter, wechselte nach zwei Monaten zu einem anderen Anbieter. Ich blieb bei dem alten - sonst hätte ich eine neue Antennen-Installation zahlen müssen.

Inzwischen habe ich folgende Grundregeln verstanden: Am Wochenende passiert grundsätzlich nichts. Die Techniker von Point Net sind auch an Werktagen nicht erreichbar. Die freundliche Fabiana nimmt montags bis freitags von 10 bis 11 Uhr 30 und von 15 Uhr 30 bis 17 Uhr Anrufe entgegen und verspricht in 100 Prozent der Fälle umgehende Rückrufe. Die sie in 100 Prozent der Fälle nicht tätigt.

Dao geht es bei seinem neuen Anbieter nicht viel besser. Er erreicht zwar eine deutlich bessere Höchstgeschwindigkeit – hat aber auch deutlich mehr Ausfälle zu verzeichnen.

Zurzeit bin ich mal wieder vom Internet abgeschnitten. Genauer gesagt: Seit mehr als einer Woche. Am ersten Tag habe ich flexibel einen Hausputz eingeschoben. Am zweiten die Wäsche gewaschen. Am dritten hatte ich bürokratische Dinge in Recife zu erledigen. Am vierten habe ich ein bisschen an Texten gearbeitet, für die eine Internet-Recherche nicht zwingend notwendig war. Am Freitag wurde ich langsam sauer.

Natürlich hatte ich jeden Tag bei Point Net angerufen. Die hatten bereits nach meinem dritten Anruf erklärt, sie warteten auf ein Ersatzteil, das aber garantiert am nächsten Tag käme. Am nächsten Tag erklärten sie das Gleiche wieder, nur mit etwas mehr Nachdruck. Am Freitag hatten sie wohl den Hörer neben die Gabel gelegt. Es gelang mir nicht, mit jemandem zu sprechen.

Selten war am Wochenende so schuldfreies Nichtstun! Ging ja nicht anders. Zeit für Ganztages-Reitausflüge, Besuche bei Freunde, Picknicks am Fluß; Montag war auch noch Feiertag.

Und Dienstag, so hatte ich mir vorgenommen, würde ich eben das Nötigste im Internet-Café bei Dao recherchieren. Der hat inzwischen ein weiteres Mal den Anbieter gewechselt: Er surft jetzt über das Modem eines mobilen Anbieters. In echter Hochgeschwindigkeit, wie in den WiFi-Zonen in der großen weiten Welt.

Heute morgen trat ich als erstes in eine Pfütze. Das war Schmelzwasser aus meinem Kühlschrank. In der Nacht war der Strom ausgefallen. Kommt hier öfter vor. Wenn solche Stromausfälle über Nacht auftreten, hat meist eine Gruppe Langfinger ein paar Kilometer Stromkabel geklaut, um den Kupferdraht illegal zu verhökern. Kann dann schon mal einen halben Tag dauern, bis ein neues Kabel gezogen ist. Da nützt auch Daos neues Modem nichts: Solange ist hier mal wieder Ende der Welt.

PS. Habe eben (um nach 18 Uhr!) mit Fabiana gesprochen: Sie hat mir keinen Rückruf versprochen, sondern den Besuch eines Technikers, heute noch. Der ist bis jetzt nicht gekommen, aber das Internet funktioniert.

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