Samstag, 12. April 2008

Der Regen, der Schimmel und die Geschenke

Kürzlich bin ich nach einer Woche Recherche in Rio nach Hause gekommen. Meine Vermieterin hatte – wie versprochen – bestens auf die Hunde und Katzen aufgepaßt, und auch die Pflanzen lebten alle noch. Die Sonne lachte, es war wunderbar, nach der Großstadt mein friedliches Dorf wiederzusehen, und freudig schloss ich die Wohnungstür auf. Aufdringlicher Schimmelgeruch strömte mir entgegen. Obwohl sämtlich Fenster in der Woche meiner Abwesenheit offen geblieben waren.

Nach einer Nacht in diversen Flugzeugen und auf dem Flughafen von Salvador (Billigflüge sind in Brasilien nur zu haben, wenn man sich auf vollkommen absurde Flugzeiten à la: Abflug um 1.30 morgens, zwei Stunden Aufenthalt irgendwo, Weiterflug um 4.45 Uhr etc. einläßt) hatte ich mich darauf gefreut, sofort ins Bett zu fallen. Dieses Bett war in meiner Vorstellung ein warmer, kuscheliger Ort gewesen, perfekt zum Erholen. Was ich vorfand, war eine klamme, muffelige Höhle, die mit einer Lagerstätte nicht viel gemein hatte.

Auf meinem Schreibtisch hatte sich sogar eine millimeterdicke Schimmelschicht auf dem Holz gebildet. Über den Laptop hatte ich ein Tuch gebreitet. Mit einer Geste wie ein Magier und unter angehaltenem Atem zog ich das Tuch weg: Darunter immerhin war kein Schimmel, mein wichtigstes Arbeitesgerät gerettet. Puh.

"Naja, es hat einfach ziemlich viel geregnet“, sagte meine Vermieterin entschuldigend, als sie mich wenig später mit dem Putzeimer sah. Das mag stimmen, aber die Tatsache, dass ihr Haus an einen Hang oder besser: in einen Hang hinein gebaut ist, spielt sicher auch eine Rolle. Der Tag jedenfalls wurde zu einer endlosen Putzorgie. Alle Möbel abwaschen und gegen die Schimmelflecken einölen. Alle Böden mehrmals wischen - beim letzten Mal mit ätherischem Öl im Wasser gegen den Geruch. Alle Schränke von innen entschimmeln. Sämtliche Wäsche waschen, weil auch die saubere im Schrank den durchdringenden Schimmelduft aufgesogen hatte. Schliesslich auch sämtliche Sättel und Lederzeug – auf das sich der Schimmel in losen Flocken gesetzt hatte - waschen und einölen.

Irgendwann guckten mich die Hunde und Katzen hungrig an. Als ich ihnen Futter geben wollte, mußte ich feststellen: auch das war verschimmelt. Das brachte mich auf eine neue Idee. Und richtig: Auch das Müsli, der Grieß, die Weizenkeime und was ich sonst noch in hübschen Vorratsgläsern aufbewahre, strahlte den häßlichen Duft der Verwesung aus. Also: Tierfutter bestellen, Großeinkauf starten.

Als ich am frühen Abend endlich in die Kissen sinken konnte, lag meine Matratze statt im Schlafzimmer auf dem Bettgestell im Arbeitszimmer auf dem Boden: Im Schlafzimmer hatten sich zwei Wände bis auf Schulterhöhe mit Wasser vollgesogen und verbreiteten ein ekelig-feucht-klammes Klima – im Arbeitszimmer zeigte nur eine Wand zwei Handbreit vom Boden Feuchtigkeitsspuren.

Das ist inzwischen ein paar Tage her, die Wäsche ist getrocknet und einsortiert, das neue Hundefutter eingetroffen und die Wohnung riecht wieder halbwegs normal. Im Arbeitszimmer schlafe ich allerdings immer noch – denn das Schlafzimmer ist weiterhin unbewohnbar geblieben. Dafür bekomme ich jetzt jeden Tag Geschenke.

Zuerst hat meine Vermieterin versucht, die Wand im Arbeitszimmer durch ein Dauer-Feuer an der Außenseite zu trocknen. Das roch wie am Prenzlauer Berg im Winter, nutzte aber nicht viel. Die Wand im Schlafzimmer wollte sie durch eine Plastikplane vor dem Regen schützen. Leider ist die Feuchtigkeit trotzdem bis auf knapp unter die Decke gestiegen. Seit ich wieder hier bin, kommt die Tochter meiner Vermieterin jeden Tag gucken, wie die Lage ist – und neuerdings bringt sie mir dabei kleine Geschenke mit.

An einem Tag war das eine Riesenschüssel „Manguzá“, ein süßer Maisbrei mit Kokosmilch. An einem anderen ein Halbkilo-Stück Schokotorte. Am dritten eine Tüte voller frisch gepflückter Orangen. Und am vierten eine Handvoll frisch gefangener Sardinen. Die netten Gaben sind wahrscheinlich eine Art Bestechung. Sie sollen mich davon abhalten, auszuziehen. Denn bald ist Winter. Dann werden Einkommensmöglichkeiten rar und Mietwohnungen billig und reichlich verfügbar. Was soll ich machen: Noch mal alles einpacken, umziehen und dann den Rest der Regenzeit trocken wohnen? Oder den Schimmel die paar Monate Winter aushalten und weiter Geschenke einsammeln?

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