Donnerstag, 24. April 2008

Der Pfarrer, der zum Himmel fuhr

Der größte Popstar Brasiliens ist ein Pfarrer: Padre Marcelo Rossi verkauft alle Jahre wieder mehr CDs als jeder andere. Seine singenden Messen verfolgen Millionen auf dem TV-Bildschirm. So viel Ruhm ist selten für einen Prediger. Nicht jeder hat auch so viel Charisma und so viel Stimme. Deswegen endet die Bekanntheit der meisten Pfarrer spätestens an der nächsten Ortsgrenze.

Padre Adelir de Carli war das zu wenig. Deswegen fuhr er zum Himmel. Zum ersten Mal am 13. Januar. Gekleidet in ein silbriges Thermogewand und eine Fliegerlatzhose ließ sich der Pfarrer in seinen speziell angefertigten Hartschalensitz nieder und mit mehreren dicken Seilen an einen Lkw fesseln. Dann banden eifrige Helfer 500 Heliumballons an den Pfarrer. Und als sie die Sicherheitsseile kappten, stieg Adelir zum Himmel auf.

Er wolle auf die Aktivitäten der Bundesstraßen-Pastorale aufmerksam machen, behauptete der rundliche Einundvierzigjährige, auf das Leiden von Brummi-Fahrern und ihren Angehörigen. Warum er dazu Party-Ballons gewählt hat, erklärte der Mann nicht.

Jedenfalls hatte Adelir ein rechtes Gottvertrauen - viel Einfluß auf seine Ballonfahrt hat so ein menschliches Party-Ballon-Anhängsel nämlich nicht. Im Januar stieg die Ballontraube mit Pfarrer dran auf mehr als 5000 Meter und flog gute 110 Kilometer vom südbrasilianischen Paraná bis nach Argentinien. Dann stieß Adelir sein Stilett in die Ballons und stieg halbwegs sanft zur Erde nieder. Betend, wie er später aussagte.

War eine tolle Publicity. Die Zeitungen berichteten. Gläubige bewunderten den Mut und den Glauben des Ballonfahrers für die gute Sache.

Also plante der Pfarrer mehr. Einen Rekord. Die längste Fahrt überhaupt mit Partyballons. Zwanzig Stunden wollte er im Himmel bleiben. Und zwar bis in die Vollmondnacht des 20. April, das Datum hatte er wegen der Mondphase ausgewählt. Außer dem Thermoanzug und der Latzhose hatte er am Sonntag auch ein Handy mit GPS dabei. Dass Gott reichlich Wolken und Winde geschickt hatte, war dagegen nur ein Detail. „Ich werde ja über den Wolken fliegen“, sagte er selbstbewußt.

Mit einem Schutzhelm gekrönt und dick verpackt in den Seilen hängend, breitete des Pfarrer segnend seine Hände aus – und ging ab wie eine Rakete: diesmal hing er an beinahe 1000 Ballons. Über Handy sprach er zu den Menschen unten auf der Erde. Der ultimative Promotion-Trip. Mag er sich gedacht haben. Bis der Wind die Ballontraube Richtung Meer schob, und der Pfarrer nichts dagegen tun konnte. Bald wußte er nicht mehr, wo er war – und ebenso wenig, wie er das GPS zu bedienen hatte. „Schickt mir jemanden an den Apparat, der mir das GPS erklärt“. Das waren seine letzten Worte, bevor die Handyverbindung abbrach.

Seit Sonntag suchen mehrere Schiffe, ein Flugzeug und ein Hubschrauber nach dem Padre. Laut Berechnungen der wahrscheinlichen Flugroute, soll er vierzig Kilometer von der Küste entfernt er im Meer gelandet sein. Fünfzig Kilometer entfernt wurden Ballonfetzen und Kabel gefunden. Der Pfarrer ist bis heute verschwunden. Er trägt weder einen Neoprenanzug noch einen Signalgeber und wird wahrscheinlich erbärmlich erfrieren.

Derweil liefern sich die brasilianischen Internauten Kommentarschlachten zum Thema. „Wenn alle so dächten wie der Padre, hätten wir eine bessere Welt“, schreibt einer. „Er hat sein Leben für die Brummifahrer riskiert, das macht ihm so leicht keiner nach“, meint ein anderer. Aus den Reihen der Ballonfahrer kommen weniger freundliche Mails: Ein kompletter Idiot, sei der Pfarrer, ein Selbstmörder und Steuergeldverschwender und überhaupt ein eitler Rekordfatzke. Manche hoffen wider alle Vernunft, dass der Pfarrer doch noch auftaucht. Und einer meint gar: „Vielleicht hat ihn ja ein Wal verschluckt, wie einst Jonas, und spuckt ihn unversehrt irgendwann wieder aus...“

Damit könnte Padre Adelir sogar Marcello Rossi noch den Rang ablaufen. Ansonsten wird er wohl einfach der Pfarrer bleiben, der unvorbereitet zum Himmel fuhr.

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