Da gab es doch letztes Jahr im August diese kubanischen Boxer, die noch während der Wettkämpfe in Brasilien beschlossen, anstatt zurück auf ihre Insel lieber von hier aus nach Hamburg zu wollen, erinnert sich noch jemand? Ihr Plan ging gründlich schief, weil auf promptes und persönliches Veranlassen des Präsidenten Lula – intimer Freund des greisen Inselchefs Fidel – die Boxer aus Brasilien ausgewiesen und nach Kuba deportiert wurden. Seit ihrer Zwangsrückkehr sollen die Profi-Boxer auf Kuba „eine ihren Fähigkeiten angemessene“ Tätigkeit ausüben – Boxen dürfen sie nicht.
Das wäre an sich ja entmutigend genug. Die Realität auf der Insel muß noch entmutigender sein. Denn es sind wieder Kubaner heimlich hier geblieben. Diesmal machten sich Musiker davon und zwar gleich bei mir um die Ecke, in Recife. Das Sextett „Los Galanes“ war für mehrere Shows hier im Großraum angereist und hätte am letzten Abend, dem 11. Dezember, noch ein nettes Abendessen mit Kuba-freundlichen Menschen genießen sollen. Drei der sechs Musiker entschuldigten sich statt dessen mit Unwohlsein – und verschwanden spurlos. Später stellte ein Anwalt für die Flüchtigen prophylaktisch Antrag auf „Habeas corpus“. Der wurde abgelehnt – und es schien schon, als drohte ihnen das gleiche Schicksal wie den Boxern.
Dann kam doch noch alles anders. Zunächst beantragte der Anwalt für die drei politisches Asyl –und um diesem Antrag mehr Nachdruck zu verleihen, wandte er sich nicht nur an die Polícia Federal, sondern vorsichtshalber auch noch an den Abgeordneten Raul Jungmann. Der wiederum bat den Justizminister Tarso Genro persönlich um Unterstützung.
Drei Wochen später verkündeten die drei Musiker in einer Pressekonferenz fröhlich die Gründung ihrer Band Brascuba, zusammen mit zwei jungen Pernambucanos. Der erste Auftritt der multikulturellen Band war gleich im renommierten Paco Alfandega – und überhaupt haben sich die Kubaner in Rekordzeit hier integriert. In einem Chat auf dem Site der Tageszeitung JC sagte der Sänger Miguel Costafreda: „Die Musik, die Leute, ihr Charakter und das Klima hier sind sehr ähnlich wie auf Kuba“. Alle drei wohnen immer noch bei dem Tanzlehrerpaar, das ihnen bei der Flucht geholfen hat, geben Interviews und Konzerte, und lösen in Recife gerade eine Art Kuba-Boom aus. Wenn auch eher kulturell als politisch.
Mit ministerieller Unterstützung haben die drei Musiker bislang das Bleiberecht bis zur endgültigen Entscheidung über ihren Asylantrag erlangt. Aber große Sorgen müssen sie sich wohl nicht machen, dass sie Ende Januar, wenn der Ausschuss für Asylanträge zusammentritt, aus dem Land geworfen werden.
Fragt sich nur: Warum haben die Musiker so viel mehr Erfolg mit ihrer Flucht als die Boxer? Liegt es daran, dass ihr Anwalt sich an den Justizminister gewandt hat, bevor Fidel den brasilianischen Präsidenten anrufen konnte? Oder eher daran, dass die Musiker die brasilianische Kultur bereichern, während die Boxer nur Hamburger Boxclub-Besitzer bereichert hätten?
Sicher scheint: Von Brascuba wird noch einiges zu hören sein. Von den Boxern spricht schon lange niemand mehr.
Sonntag, 20. Januar 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen