Mittwoch, 30. Mai 2007

Mozzarella-Orgien und die Sehnsucht nach dem Mangoshake

Die Hunde wissen es schon. Schleichen deprimiert durch die Gegend, sind anschmiegsam wie sonst nie und verfolgen jede meiner Bewegungen mißtrauisch. Das ist jedes Jahr das Gleiche. Sie glauben, ich werde sie verlassen, aussetzen, aus ihrem Leben verschwinden. Dabei fahre ich nur nach Deutschland. Was ich dort mache? Wie die Klischee-Tante staunen, weil die Neffen und Nichten schon wieder so gewachsen sind. Ein bißchen erschrecken, weil jedes Jahr auch die Eltern älter werden. Mich wundern, wie wenig wir Deutschen auf der Strasse, an der Bushaltestelle und in Supermärkten miteinander reden. Mich satt essen an allem, was mir den Rest des Jahres gelegentlich fehlt, wie echter Mozzarella, Spargel, Quark und Brot, das nicht an Schaumstoff erinnert. Die Runde machen in bekannten und unbekannten Redaktionen mit meinem Spezialitätenangebot: Texte und Fotos aus Brasilien.

Das ist jedes Jahr schön. Und weil ich im deutschen Frühjahr ankomme, friere ich auch nur am Anfang ein bißchen. Aber ich weiß jetzt schon, nach spätestens einem Monat hilft alles schwelgen in Mozzarella-Orgien nichts mehr. Dann habe ich alle Freunde und die halbe Familie getroffen, mal wieder gemerkt, dass das deutsche TV-Programm auch nicht besser ist als das hiesige, und mir von diversen Redakteuren erklären lassen, wie wenig Platz sie für exotische Themen haben. Dann fehlen mir die Spaziergänge am Strand, wenn ich beim Schreiben ins Stocken komme. Dann sehne ich mich nach meinem morgendlichen Mangoshake. Dann will ich auf dem Weg zum Supermarkt wieder mindestens ein Dutzend Menschen grüßen und dabei den neuesten Klatsch erfahren. Dann fehlt mir sogar die abendliche Telenovela, über die ich doch nur lästere, wenn ich sie hier sehe.

Dieses Mal wird mir auf der Reise wohl außerdem das Posten fehlen. Neun Monate gibt es den Blog „Ordem e Progresso“ jetzt. Nicht zu privat sollten die Posts werden, dafür eine Mischung aus Alltag, Alltagskultur und Politik beschreiben – nicht journalistisch ausrecherchiert und ausgewogen, sondern durchaus parteiisch, ironisierend, kommentierend. Manche haben das vor allem bei politischen Themen in den falschen Hals bekommen und mir in ihren Kommentaren vorgeworfen, ich könne das Land, das mich beherbergt, nicht ausstehen. Andere finden sich - vor allem bei den Alltagsgeschichten - in ihren eigenen Erfahrungen bestätigt. Egal ob Lob oder Kritik: Alle Leserposts in deutscher Sprache werden veröffentlicht, wenn sie sich nicht zu sehr wiederholen. Und es dürfen gerne mehr werden!

In den nächsten Wochen kann ich nicht aus Brasiliens Alltag berichten, weil ich in Deutschland sein werde. Anregungen und Kommentare aber kann ich lesen. Und mich darauf einstellen: Wovon sollte es gerne mehr geben, was will keiner so genau wissen, was fehlt womöglich ganz?


Voraussichtlich Mitte August melde ich mich nach meiner deutschen Sommerpause zurück. Mit Geschichten aus Alltag, Politik und allem, was sonst noch in „Ordem e Progresso“ hinein gehört. Dann wird hier langsam der Regen nachlassen, die Sonne wieder stärker brennen, die nächste Mangoernte nahen. Und die Hunde werden wie immer schon Tage vorher wissen, dass ich bald wieder da bin

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