Donnerstag, 18. September 2008

Wenn der Macho zärtlich brüllt

Ich beschäftige einen Macho. Der ist so alt wie ich, dünn wie eine Zuckerrohrstange, schlau wie Oskar und ein echter Mann. Er schneidet das Gras für meine Pferde und füttert sie auch, wenn ich mal nicht da bin. Dafür zahle ich ihm eine monatliche Pauschale, bin also in gewisser Weise so etwas wie seine Chefin. Und damit bin ich ein Problem für den Macho. Der doch an sich überlegen zu sein hat. Deswegen weigert mein Helfer sich gelegentlich, Dinge so zu tun, wie ich es ihm erkläre. Füttert lieber zwei Eimer Kraftfutter als einen oder an einem Tag keinen, dafür am nächsten Tag drei. Bisher haben alle Pferde überlebt, ich habe mich an den etwas rüden Umgang gewöhnt und mir eine Art kumpelhaften Ton angewöhnt, den der Macho ganz gut vertragen kann. So weit, so gut.

Bis die Sache mit dem Zaun anfing. Weil der Mann unter permanenter Geldnot leidet, gleichzeitig aber – da einerseits unverheiratet, andererseits aber keinesfalls weibisch – eine Wäscherin, eine Köchin und eine Putzhilfe bezahlen muss, habe ich ihm einen zusätzlichen Auftrag gegeben. Er soll für mich einen Zaun bauen. Ich hatte mir so einen hübschen aus geflochtenem Holz vorgestellt. Erklärte dem Mann das und fuhr auf eine Recherchereise. Als ich zurück kam, war alles anders.

Vom Zaun war nur ein Anfang zu sehen, ein ziemlich improvisiertes Werk aus ineinander geschachtelten, vernagelten und aneinander gebundenen Zweigen verschiedener Dicke und Höhe. Von geflochten konnte keine Rede sein. Von dem Mann keine Spur. Er hinterließ zwar Gras für die Pferde, ließ sich selbst aber nicht blicken. Als ich ihn nach Tagen traf, blökte er statt einer Begrüßung los: „Das ganze Holz zu schneiden ist eine Heidenarbeit, ich habe schon den gesamten Wald durch gekämmt!“ Hm. Angeblökt hatte er mich bislang nicht. Ich schwieg und dachte mir: Das war vermutlich seine Art, zu erklären, warum er unmöglich sein Versprechen einhalten konnte - den Zaun bis zu meiner Rückkehr fertig zu haben. Außerdem, so unterbreitete er mir in kaum weniger harschem Tonfall, sei der Zaun nicht gerade zu ziehen, wie ich das vor hatte. Das Grundstück verliefe nämlich dergestalt, dass eine Ecke auszusparen sei, um die der Zaun im Dreieck herum zu verlaufen habe.

Interessant. Bei genauerer Betrachtung erschloss sich mir mühelos seine Eckenlogik: Durch die angeblich nicht zum Grundstück gehörende Ecke hatten die Nachbarn einen Trampelpfad eingerichtet, den sie anscheinend nicht aufgeben wollten, nur weil das jahrelang leerstehende Haus jetzt von mir bewohnt wurde. Aber was hatte das mit dem Macho zu tun? Wenn ich ihn je mit der Nachbarin kommunizieren sah, brüllte er sie meistens an, konnte also kaum freundschaftliche Gefühle für sie hegen.

Dachte ich. Erst nach Tagen fiel mir auf, dass der Zaun zwar keinen Zentimeter wuchs, der Macho aber jeden Tag mindestens zweimal, meist noch öfter bei mir vorbei kam. Auf dem Weg zur Nachbarin, die er dann ausgiebig anbrüllte. Gestern morgens hingen auf der Wäscheleine der Nachbarin zwei Hemden, die mir bekannt vorkamen. Und gestern abends tönte noch lange ein bekanntes Blöken von nebenan herüber. Endlich habe ich begriffen: Der Mann und die Nachbarin pflegen ein Techtelmechtel. Und wenn ein echter Mann zärtlich ist, dann brüllt er besonders laut. Sogar, wenn er mit mir redet.

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