Sonntag, 28. September 2008

Lula ist der Größte

Unser Präsident ist der Größte. Das brasilianische Volk liebt ihn, wie noch nie in seiner gesamten Amtszeit: mehr als 77 Prozent loben den Mann persönlich, immer noch mehr als 68 Prozent sind mit seiner Regierung einverstanden, sagen die neuesten Umfragen. Sein Lieblingsspruch: „Niemals in der Geschichte dieses Landes“, mit dem er gerne die von ihm bewirkten Superlative aufzählt: … wurde so viel für die Indios getan, …wurde so viel für die Armen getan, … gingen so viele Kinder zur Schule, etc. ist längst zur festen Redewendung geworden. Kein Wunder, dass Lula in diesen Tagen den Mund noch ein bisschen voller nimmt, als sonst.

Kürzlich hatte der einfache Metallarbeiter sogar Gelegenheit via UNO quasi zum Weltvolk zu sprechen, jedenfalls zu dessen Staatsmännern. Gebührend selbstsicher trat er auf. Erklärte uns allen, warum die Wirtschaft der USA in der Krise ist. Weil die USA nämlich eine Wirtschaftspolitik betrieben, die nur auf maximalen kurzfristigen Gewinn ausgerichtet ist. Stattdessen müsse auch in der Wirtschaft ethisch gehandelt werden, erklärte der brasilianische Präsident., der bekanntermaßen einem Land vorsteht, in dem besonders ethisches Wirtschaftsverhalten an der Tagesordnung ist.

Mehr noch: „Ich habe das von den G8-Staaten verlangt und auch von der Weltbank, dass die sich mal melden zu der Sache – wenn ein kleines Land in die Krise gerät, sind sie gleich mit Rat und Tipps zur Stelle, wenn es um ein großes Land geht, hören wir nichts von ihnen“, meckerte der einzige Vertreter Lateinamerikas bei der UNO-Sitzung. So weit waren wir auch noch nie in der Geschichte dieses Landes, dass Brasilien der Weltbank auf die Füße tritt. Und der Mann scheint Recht zu haben. Die Amerikaner jedenfalls haben nicht etwa über die nicht sonderlich originellen Sprüche gelächelt, sondern dem Brasilianer positive Schlagzeilen gewidmet. Im Wall Street Journal hieß es etwa, Lula sei der Verteidiger eines Mittelwegs zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Dann allerdings auch noch - etwas weniger schmeichelhaft, er „balanciere auf einem schmalen Grat zwischen den Praktiken einer orthodoxen Wirtschaftspolitik und der Finanzierung populistischer Sozialprogramme.“

Tatsächlich, teure Sozialprogramme gibt es jedes Jahr mehr. . Allein die wichtigsten - vom Bolsa Familia, das den regelmäßigen Schulbesuch mit Geldwert belohnt, über Programme gegen Kinderarbeit, welche zur Alphabetisierung, bis hin zu Uni-Stipendien für Bedürftige – machen in diesem Jahr Ausgaben in der Größenordnung von mehr als 8 Milliarden Euro aus. Die Finanzierung sieht der Präsident wohl nicht weiter gefährdet, denn wir haben ja jetzt laut Lula den ersten brasilianischen Scheich. In der Person des Vorsitzenden der Petrobras, die bis 2012 voraussichtlich 112 Milliarden Dollar in die Förderung der neu entdeckten Erdölvorkommen investieren wird.

Das einzige Problem ist das Ende von Lulas Amtszeit. Denn so beliebt der Mann, so chancenlos scheint seine Partei ohne ihn. Ist es ihm überaus geschickt gelungen, sich bei sämtlichen Skandalen als unschuldigen Mit-Geprellten darzustellen, so hat das Volk der ehemaligen Partei der Saubermänner doch die größten und meisten Korruptionsvorkommnisse in der Geschichte dieses Landes ein wenig übel genommen. Der Philosoph Roberto Romano sagte gar letztens: „Die PT läuft Gefahr, sich aufzulösen, wenn Lula aus der Politik aussteigt.“

Vielleicht schwant auch dem Präsidenten selbst, dass das mit seiner Nachfolge nicht so einfach sein wird. Neuerdings sagt er gerne: „Mein Nachfolger wird es schwer haben, er will ja schließlich nicht als einer da stehen, der weniger erreicht hat als ein einfacher Metallarbeiter.“ Lula der Größte forever, also?

Keine Kommentare:

 
Add to Technorati FavoritesBloglinks - Blogkatalog - BlogsuchmaschineBrasilien