Montag, 22. September 2008

Ein Fall für‘s Gericht: Sind Affen Menschen?

Megh und Debbie sind drei und vier Jahre alt und meistens fröhlich: Sie wedeln mit allerlei Dingen, rollen auf einem Skateboard durch die Gegend und machen gerne Lärm, um die Aufmerksamkeit der Familie auf sich zu ziehen. Die beiden haben einen 600 Quadratmeter großen Spielplatz für sich, mit Wippen, Kletterseilen, einem Schwimmbad voller Bälle und sogar einem Laptop für Kinder. Sie schlafen elf Stunden am Tag in Einzelbetten, und dann kümmern sich zwei Kindermädchen um die beiden. Putzen ihnen die Zähne und geben ihnen die Flasche mit Kakao oder Babynahrung. Wenn eine der beiden krank ist, schläft Mama Claudia mit im Zimmer. Kurz: Megh und Debbie sind ziemlich verwöhnte Dinger. Kein Wunder, dass ihr Adoptiv-Vater Rubens Forte die beiden nicht hergeben will. Auch nicht, nachdem ein Gericht bereits gegen ihn entscheiden hat.

Rubens Problem: Megh und Debbie sind Affen. Kleine Schimpansinnen, in die sich der Unternehmer in einem Zoo in Fortaleza verliebt hat. Als der Zoo geschlossen werden musste, adoptierte er die Äffinnen und überhäuft sie seitdem mit Aufmerksamkeiten menschlicher Art. Auf dem Boden schlafen? Nichts für die „Mädels“! Sich selbst Nahrung suchen? Unvorstellbar!

Wenn es nach der brasilianischen Umweltschutzorganisation Ibama geht, sollen sie aber genau das demnächst tun: Wie wilde Affen leben. Der Ibama hat zwar das private Wildtiergehege von Rubens genehmigt, aber deswegen soll der seine tierischen Töchter trotzdem nicht behalten dürfen. Grund: Fehler in der Dokumentation, heißt es offiziell von Seiten des Ibama. Inoffiziell sieht das Ganze mehr nach einem Machtkampf aus – einer Art Rache des Ibama, weil Rubens schon den Transport der Schimpansinnen aus Fortaleza im Nordosten bis nach Sao Paulo gegen den Willen der Behörde durchgeführt hatte. Megh und Debbie ist das soweit egal: Sie spielen weiter auf ihren 600 Quadratmetern – bis zur Entscheidung.

Die liegt inzwischen beim Obersten Gerichtshof. Den hat Rubens mangels besserer Einfälle um Habeas Corpus für die beiden angerufen. Weil sie doch in Afrika bitterlich verhungern müssten. Und weil sie wie alle Schimpansen zu mehr als 99 Prozent gleiches Genmaterial besitzen wie wir Menschen. Da muss doch die in der Verfassung garantierte Bewegungsfreiheit auch für sie gelten. Oder?

Juristisch gesehen, scheint es eine einfache Sache. Die Verfassung gilt für menschliche Wesen. Tier gelten im brasilianischen Zivilrecht als Sachen. Und Sachen haben keine verfassungsmäßigen Rechte.

Ex-Präsident José Sarney verweist hingegen auf einen „Präzedenzfall“ mit anderem Urteil: In den 90er Jahren soll der damalige Arbeitsminister Antonio Magri gesagt haben: „Hunde sind auch Menschen“. Auch Internaut „Mau“ ist für die Bewegungsfreiheit der Äffinnen. Er schreibt: “Wo ist das Problem? Nachdem Dantas*, der meiner Meinung nach weniger Würde besitzt als jedes Tier, gleich zweimal Habeas Corpus gewährt bekommen hat, meine ich, dass jedes Wirbeltier das gleiche Recht haben sollte!“

Sollte der Oberste Gerichtshof dagegen entscheiden, hat Rubens bereits seinen nächsten Schritt angekündigt: Er will bis vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen.


*Daniel Dantas, umstrittener Banker, dem unter anderem Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgeworfen werden

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