Donnerstag, 8. Februar 2007

Ein Besen von Dona Teodora

Dona Miuda und Dona Teodora leben in Barro Branco, mehrere Hügel, etwa vier Kilometer und eine Stunde Fußmarsch von der Kokospalmenküste Bahias entfernt. An der Kokospalmenküste kaufen seit Jahren ausländische Investoren immer größere Landstücke und bauen darauf Luxus-Resorts und Ferien-Wohnanlagen. Mehrere Milliarden Euro sollen bis 2020 investiert werden, alles im Fünf-Sterne-Segment. Hunderttausende ausländische Urlauber besuchen jedes Jahr die Kokospalmenküste. Bis nach Barro Branco kommen sie nicht.



Barro Branco heißt zwar „Weißer Lehm“, ist aber rot. Und staubig. Ein paar Häuser drängen sich an ein paar Hundert Metern Strassenrand im Schatten uralter Mangobäume. Viele sind unverputzt, die Gartenzäune aus Latten und Knüppeln improvisiert und mit Palmwedeln geflickt. Die Kirche ist das höchste Gebäude des Dorfs, und vor dem Kramladen parken zwei Esel und ein magerer Klepper.

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Jobs gibt es in Barro Branco nicht, aber neuerdings unabhängige Unternehmer. Die karren mit ihren Mototaxis die arbeitswillige männliche Bevölkerung morgens zu den Resort- und Wohnanlagen-Baustellen an der Küste und holen sie abends wieder ab. Dann wird es noch ein bißchen staubiger auf der Hauptstrasse.



„Hach Männer“, sagt die über sechzigjährige Dona Miuda dazu, „manche arbeiten tatsächlich, aber die meisten saufen doch nur Cachaca. Hier im Dorf liegt alles in den Händen der Frauen!“. Dona Miuda war dreimal verheiratet, jetzt hat sie die Nase voll und kocht nur noch für ihre zwölf Kinder und deren Enkel. Seit letztem Jahr häkelt sie außerdem und macht Flickentaschen und flicht Körbe aus Palmblattstreifen. Im letzten Jahr haben zwei junge Frauen den Kurs „Coisas de mulher“ (Frauenangelegenheiten) nach Barro Branco gebracht. Da durften alle über die Männer meckern, nebenbei hat Dona Teodora

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gelernt, ihren Namen zu schreiben, und alle haben sich im Kunsthandwerk versucht.



Der Kurs soll neue Finanzquellen für die Dorfbevölkerung auftun und wird von einem der ausländischen Investoren bezahlt. Miudas erste Häkelmütze wirkt noch reichlich krumpelig, Dona Teodora bindet perfekte Besen in einem Verfahren, das mehrere Tage dauert, und das sie schon vor dem Kurs kannte. Einmal pro Woche treffen sich alle zum Üben und Reden und Lernen. „Früher haben wir in Vollmondnächten immer so zusammen gesessen“, erinnert sich Dona Teodora, „haben genäht und gebastelt und Geschichten erzählt: es gab ja damals keinen Strom. Jetzt gibt es Strom, aber die Telenovelas lassen uns keine Zeit...“



Im Verhältnis zu den mehr als Hundert Millionen Euro Investitionssumme wirkt das Sozialengagement in Barro Branco ein bißchen popelig. Und verdient hat auch keine der Frauen viel mit den gebastelten Püppchen und den Häkelarbeiten. Doch die runzeligen Donas sind nicht kleinlich. In ihrem Leben passiert seit letztem Jahr etwas! Sie lernen dazu! Die Welt erinnert sich an sie! „Ich habe sogar schon eine Tasche verkauft“, sagt Dona Miuda stolz, „für zehn Reais! Und jetzt gucke ich, daß ich bis Karneval noch einen Hut fertig häkele.“ Und Dona Teodora erkundigt sich, wie lange ich noch in der Gegend bleibe. „Das reicht“, sagt sie dann zufrieden, „bis übermorgen schicke ich dir einen Besen ins Hotel, als Erinnerung an uns.“

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