Samstag, 11. November 2006

Robertos Hausangestellte gibt ihm keine Tipps in Liebesdingen

Roberto hat eine Hausangestellte. Viele Brasilianer haben Hausangestellte, denn die sind hier nicht sehr teuer. Eine „Empregada“ putzt, wäscht und kocht an sechs bis sieben Tagen in der Woche von morgens bis abends für ihre Herrschaft. Dafür bekommt sie normalerweise einen gesetzlichen Mindestlohn im Monat (umgerechnet 125 Euro). In den Telenovelas im brasilianischen Fernsehen sind Empregadas häufig dick und geschwätzig und so etwas wie das Herz der Familie. Sie kochen dauernd Kaffee, hören alles, sehen alles und geben ihren Herrschaften trotz des knappen Lohns gerne kostenlose Tipps in Liebesdingen.


Bei meinem Nachbarn Roberto ist das alles ein bisschen anders. Seine Empregada ist dünn, schweigsam und mitnichten das Herz von Robertos Familie. Roberto ist nämlich Single und den ganzen Tag nicht da. Praktisch bewohnt also seine Hausangestellte Robertos Einzimmer-Küche-Bad-Mietwohnung mit Gartenanteil direkt am Meer. Sie kommt im Laufe des Vormittags, wenn Roberto schon in der Arbeit ist, kocht sich erst mal einen Kaffee und setzt sich unter den Mangobaum, um ein bißchen in Robertos Zeitung zu blättern. Danach fegt sie die Einzimmer-Wohnung und schüttelt die Laken aus. Dann ruht sie sich im Schatten des Mangobaumes aus. Später geht sie einkaufen. Mit Tüten beladen kommt sie wieder und macht sich ans Kochen. Roberto ißt gern, das sieht man ihm an. Seine Empregada kocht Gulasch und Fisch in Kokossauce, dass es nur so duftet. Manchmal backt sie auch Kuchen.


Jeden Tag um Punkt zwölf Uhr ist Mittagspause. Dann kommen die Gäste. Das sind drei Kolleginnen von Robertos Empregada, die in der Nähe arbeiten, ihr Ehemann, der auch in der Nähe arbeitet, ihr kleiner Sohn und an manchen Tagen auch noch ihre Schwiegermutter. Die kleine Gesellschaft rückt sich Robertos Gartenstühle zurecht, deckt den Tisch unter dem Mangobaum und fängt an zu schmausen. Gulasch gibt es und Fisch in Kokossauce und manchmal einen Kuchen. Das Meer rauscht im Hintergrund, eine zarte Brise bläst herüber, die Gäste reden ausgiebig über Liebesdinge und ihre Herrschaften, und oft brechen sie erst in der Dämmerung auf. Dann schreibt Robertos Hausangestellte noch den Einkaufszettel für den nächsten Tag und macht Feierabend.


Wenn Roberto abends nach Hause kommt, ist keiner mehr da. Er wärmt sich also allein den Gulasch auf oder den Fischeintopf, setzt sich allein an seinen Gartentisch und liest allein seine Zeitung. Danach wärmt er sich den Kaffee auf und genehmigt sich ein Stück Kuchen. Und niemand gibt ihm Tipps in Liebesdingen.

Keine Kommentare:

 
Add to Technorati FavoritesBloglinks - Blogkatalog - BlogsuchmaschineBrasilien