Montag, 10. November 2008

Eine Nachfolgerin für Bito, den berühmten Bock


Ernsthaft begleitete er jeden Trauerzug bis zum Friedhof. Fröhlich schritt er vor jedem Karnevalsumzug. Gemessen führte er militärische oder musikalische Prozessionen an. Gerne ließ er sich mit einem Schälchen Milch oder Keksen verwöhnen. Nachmittags hatte er eine feste Verabredung mit den Busfahreren der Stadt, die ihm Tüten voller Bonbons mitbrachten. So wurde der Ziegenbock bald zum berühmtesten Einwohner von Riachão do Dantas im Nordostbundesstaat Sergipe. Bito töten? „Das ging dann einfach nicht mehr“, erklärt sein Besitzer Joélio. Eigentlich hatte er den Ziegenbock gekauft, um ihn erst zu mästen und dann zu Buchada zu verarbeiten, dem typischen Gericht des brasilianischen Nordostens, bei dem im Ziegenmagen die Nieren, Leber, Zunge, Herz und Därme des Tieres gekocht werden.

Dann kam alles anders. Statt Gras zu fressen, wie andere Ziegen, schlürfte Bito elegant Milch und knabberte feinsten Mais aus der Futtermittelhandlung seines Besitzers. Mit Sprüngen und Kapriolen forderte er Passanten und Kunden zum Spiel auf und begleitete so manchen auf dem Heimweg. Als 1998 eine richterliche Verfügung freilaufende Tiere auf den Straßen von Riachão untersagte, trat Bito in den Hungerstreik, und die ganze Stadt trauerte. Bis die Richterin davon hörte und persönlich ausrichten ließ: Bode Bito sei frei zu lassen.

Trotzt seiner ständigen Schlemmereien erreichte der Ziegenbock mit den weißen Schlappohren das hohe Alter von 18 Jahren. Zuletzt konnte er sich nicht mehr aufrichten, und dann starb er. Das war im Jahr 2007 und es ließ seine ungezählten Freunde tief traurig zurück. „Bito ist tot, aber seine Geschichte lebt für immer“, sagte der Gemeinderatsabgeordnete José Edson de Almeida, und beantragte ein Denkmal für Bito. So wurde der berühmte Bito zum Kunstwerk – statt zu Buchada: Der Bürgermeister bestellte eine Beton-Skulptur für umgerechnet mehr als 1200 Euro.

Bita kostete nur einen Bruchteil dieses Preises, und zwar lebendig. Die Ziege lebt in einem 2000-Einwohner-Dorf ebenfalls in Sergipe und hätte beinahe das gleiche Schicksal erlitten, das auch Bito zugedacht gewesen war. Doch dann ging Dona Joana sammeln, weil sie das cremefarbene Tier zu schade für den Kochtopf fand. Mancher der Bewohner von Triunfo konnte nur 20 Cent geben, mancher 40 – viel hatte keiner. Aber irgendwann kamen die umgerechnet 40 Euro zusammen, die ihr Besitzer verlangte. Seitdem ist Bibita Kollektivbesitz von Triunfo, spaziert – ganz wie ihr Namensvetter - in aller Seelenruhe durch die Straßen, begleitet alle Prozessionen und legt sich bei Beerdigungen gerne mal trauernd neben den Sarg. Außerdem geht Bibita in jede Zirkusvorstellung vom Triunfo. Kaum beginnt die Vorstellung, trippelt sie selbstverständlich ins Zelt hinein, klettert auf eine der Sitzbänke ganz oben und guckt sich die Vorstellung an. Erst wenn die Clowns vorbei sind geht sie wieder.

Letztens hat einer versucht, Bibita zu kaufen. Der war extra aus Riachão do Dantas gekommen. Weil dort kein Bock mehr die Trauerzüge begleitet, die Statue keine Bonbons frisst und überhaupt der Bode Bito allen arg fehlt. Bibita wäre doch eine prima Nachfolgerin für Bito, fand der Mann. Aber keiner der vielen Besitzer von Bibita war an seinem Geld interessiert.

Foto: ohne Angaben, übernommen aus dem Blog Meu Papagaio

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