Freitag, 21. November 2008
Der schöne Fabio und die Droge
Fabio Assuncao ist hier in Brasilien so etwas wie eine Mischung aus Til Schwaiger und Moritz Bleibtreu. Groß, blond und mit leuchtend blauen Augen, ist er das Mensch gewordene tropische Schönheitsideal für Männer. Ich habe den Super-Star vor Jahren einmal getroffen, als er bei der brasilianischen Variante von Oberammergau den Jesus gab: Er war nett und zugänglich und posierte bereitwillig mit der Pressedame, die mich begleitete und angesichts dieses Traummannes den eigenen – ebenfalls anwesenden - sofort und vollständig vergaß. Soviel zu seiner Wirkung. Damals. Als ich Fabio das letzte Mal sah, trat er in einer der Telenovelas als Held auf – immer noch groß und blond und blauäugig, aber seltsam abgemagert, müde und mit tiefen Schatten unter den Augen. „Der ist aber schnell alt geworden“, dachte ich mir. Jetzt weiß ich es – ebenso wie das restliche Brasilien - besser: Der schöne Fabio ist dem Kokain verfallen.
Die ersten haben das spätestens im Januar dieses Jahres vermutet, als der Schauspieler in Gesellschaft eines bekannten Dealers in Rio erwischt und deswegen zur Aussage gebeten wurde. Familienmitglieder sagten damals aus, Fabio nehme Kokain und sei deswegen in Behandlung. Die soll er abgebrochen haben. Und jetzt liegt am Kiosk eines der großen Nachrichtenmagazine mit der Schlagzeile: „Der Kampf ums Leben“ - ließe sich auch als "Kampf für das Leben" übersetzen. Natürlich geht es um die Droge.
Ziemlich reißerisch. Trotzdem war ich beeindruckt, denn wann spricht schon mal einer der Showstars über seine Suchtprobleme. Bis vor nicht allzu langer Zeit umgab gerade Kokain ja ein Ruf der Droge der Künstler und Intellektuellen, die den Verstand und die Sinne schärfe. Von Abhängigkeit und Verfall war eher selten die Rede. In seiner spektakulären Kokain-Beichte vermarktete Autor Stuckrad-Barre auch die schlimmsten Stunden noch irgendwie medienwirksam. Hierzulande wurde vor ein paar Jahren nach dem Tod der Sängerin Cassia Eller ebenso von Drogen gemunkelt wie schon einst bei Elis Regina. All diese Berichte waren – vergleichbar mit den Bildern einer erschreckend abgemagerten Amy Winehouse - meist purer Sensationalismus, und hatten mit einer Auseinandersetzung mit Drogen im Showgeschäft nichts zu tun. Von Veja konnte man eventuell mehr erwarten.
Pustekuchen. Das Magazin, das sich selbst gerne als Aufklärer, Wärter der Demokratie und überhaupt sehr seriös darstellt, macht keine Ausnahme. Ja, der Mann ist kokainabhängig. Aber ob, wie und wo er dagegen kämpft, erfahren wir gar nicht. Statt dessen eine Reihe seiner Symptome: Dass er Mühe hatte, Text zu lernen, dass er ständig am Set einschlief wegen der Beruhigungsmittel, die er gegen die Koksüberwachheit nahm. Dass er einmal zusammen gebrochen ist, und man ihm schon seit einiger Zeit beim Abnehmen beinahe zusehen konnte. Solange er trotzdem halbwegs funktioniert hat, durfte er weiter arbeiten. Nun ist vorläufig Schluss: Seine Hauptrolle in der Sechs-Uhr-Novela verschwindet flugs aus dem Drehbuch, und der Darsteller ist auf unbestimmt Zeit frei gestellt, um sich behandeln zu lassen. „Wenn er den Kampf gewinnt, könnte das Zeichen setzen“, behauptet der Autor der Veja-Geschichte.
Ob er solche Zeichen überhaupt setzen will, hat den Star anscheinend keiner gefragt. In seiner Presserklärung zum Ausstieg auf Zeit ist weder von Sucht noch von Kokain die Rede. "Gesundheitliche Gründe" gibt er diffus an. Zur Art, Dauer und sonstigen Details der Behandlung: keine Auskünfte. Und weil der Mann beliebt ist, auch bei den Kollegen, will von denen kaum einer was zum Thema sagen. Vielleicht, um ihn zu schützen. Vielleicht, um sich selbst zu schützen, denn wer weiß, ob sich der eine oder die andere nicht regelmäßig mit dem schönen Fabio zum Teco-Teco getroffen hat - wie die Leute es hier nennen, wenn sich Menschen gesellig ein paar Lines reinziehen. Bekanntlich koksen die Wenigsten allein und im Showbiz-Milieu koksen bekanntlich nicht wenige. Aber darüber redet keiner so gerne.
Nicht mal als Inhalt für eine Novela – Brasiliens wichtigste Informations- und Erziehungsplattform - hat Drogensucht bislang eine Chance gehabt: Zu viel Angst haben die Quotenhörigen vor einer Ablehnung des Themas durch das Publikums. Lesbische Liebe, Prostitution, Aids, häusliche Gewalt – alles haben die Zuschauer in Novelas schon gesehen, diskutiert und schließlich geschluckt. Drogen traut ihnen keiner zu. Das bemerkt der Veja-Autor kritisch. Aber seinem eigenen Publikum traut er die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema offensichtlich ebenso wenig zu.
Der schöne Fabio hat seinem Outing im Nachrichten-Magazin bislang nicht widersprochen. Wahrscheinlich hat er Besseres zu tun. Ich hoffe, dass er seinen heimlichen Kampf tatsächlich gewinnt. Und danach Zeichen setzt: Vor allem für die Medien.
Foto: PR
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