Sonntag, 17. Februar 2008

Respekt für den Präsidenten-Luxus

In letzter Zeit haben sich so einige Minister ungewollt als Luxusliebhaber geoutet – durch das Transparenz-Portal im Internet, in dem ihre Ausgaben für alle Steuerzahler einsehbar waren. Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll nun der Sache auf den Grund gehen und nachweisen, wer sich wo und wann zu viel Luxus auf Staatskosten genehmigt hat. So weit, so gut. Aber was ist mit dem Präsidenten? Untersuchung ja, sagt der. Aber mit Grenzen. Wegen der Sicherheit. Und der Privatsphäre. Dürfen nun die Ausgaben des Präsidenten einzeln untersucht werden? Oder beeinträchtigt das dessen Privatsphäre, Sicherheit oder Amtswürde? Auf die Antwort warten die Brasilianer noch.

Ohne die Präsidentenwürde antasten zu wollen, läßt sich immerhin folgendes feststellen: Lula liebt Luxus. Die 7300 Quadratmeter des von Oscar Niemeyer entworfenen privaten Regierungssitzes, dem Palácio da Alvorada, hat er vor seinem Einzug erst mal für umgerechnet 6,4 Millionen Euro renovieren und umgestalten lassen: mehrere Kino- und Konzertsäle, Weinkeller für mindestens 2000 Flaschen, beheiztes Schwimmbad mit Olympiamaßen, Gymnastik- und Massageräume sowie sechs Suiten von mindestens 120 Quadratmetern – jetzt alle nach Geschmack und Vorlieben von Lula und seiner Gattin Marisa gestaltet. Für das Wohl des Päsidenten, seiner Familie und Gästen sorgen auf dem 40-Hektar-Gelände am Ufer des Flusses Paranoá allein 60 Angestellte – darunter ein Küchenchef. Mit dem Präsidenten-Gehalt von weniger als 5000 Euro monatlich ließe sich ein solcher Lebensstil nicht finanzieren.

Muß er auch nicht. Der Inhaber des höchsten Amtes darf sich nicht nur ein Amtsflugzeug mit Dusche, Ehebett, Mini-Intensivstation, zwei Tischen für acht Personen etc. für 56 Millionen US-Dollar anschaffen, er hat auch einen Anspruch auf Kostenübernahme für das persönliche Kabinett und diverse Assistenzen. Ehrlicherweise muß gesagt werden, dass die erste Küchenchefin in die bis dahin von Militärköchen geführte Präsidentenküche schon unter Lulas Vorgänger Einzug hielt. Dennoch: Kein Politiker vor Lula hat die Kabinettskosten so heftig gesteigert wie der aktuelle Präsident Brasiliens - 50 Prozent in drei Jahren. 2006 waren das umgerechnet etwa 140 Millionen Euro, das sind mehr als 12 Millionen pro Monat. Davon werden unter anderem 149 persönliche Assistenten des Staatschefs bezahlt, die alle mehr als 2400 Euro im Monat verdienen – vergleichbar hier etwa mit dem Gehalt von Ingenieuren. Bis Mitte letzten Jahres schafften die Arbeit auch 68 Assistenten, dann erließ der Präsident ein nicht zustimmungspflichtiges Dekret und genehmigte sich 81 persönliche Helfer mehr – fast alle Parteigenossen mit Gewerkschaftshintergrund.

Unter den Kabinetts-Ausgaben finden sich außerdem hohe Summen für nicht näher erläuterte „Werbekosten“ der Regierung, und von den 1,96 Millionen Euro, die das Präsidenten-Sekretariat per Präsidenten-Kreditkarte bezahlt hat, erklären Lulas engste Mitarbeiter 1,92 Millionen lapidar mit: Ausgabegrund geheim. Das ist legitim. Es existiert kein Gesetz, das eine genaue Trennung zwischen Privat- und Amtsausgaben des Präsidenten definieren würde. Geprüft wird vom Rechnungshof – und selbst der findet eine Trennung schwierig: „Die Legitimierung einer bestimmten Ausgabe ergibt sich nicht nur aus ihrem Objekt oder der Höhe der Kosten, sondern aus ihrem Zweck. Es finden sich auf der Liste auch – unter anderen Umständen zweifelhafte -Anschaffungen, wie alkoholische Getränke oder Luxus-Lebensmittel“, so drückte das Ubiratan Aguiar aus. Will sagen: Je nachdem, mit wem und unter welchen Umständen der Chef die importierte Gänseleberpastete verputzt, ist es absolut legal, den Steuerzahler die Rechnung begleichen zu lassen. Meistens tut er das wohl außer Landes; 2007 verbrachte Lula zwei Monate auf 32 Auslandsreisen in 29 Länder. Das kostet. Soll aber die Wirtschaft des Landes auf Trab bringen.

48 Ökonomen kümmern sich ausschliesslich um die Ausgaben des Präsidenten und seiner näheren Umgebung. Sie haben die 20 Morgenmäntel aus ägyptischer Baumwolle, die Lula für seinen Amtsantritt als notwenig erachtete (obwohl Brasilien ebenfalls feinste Baumwolle produziert), ebenso aufgelistet, wie 18 Harley Davidsons, die er für die polizeiliche Präsidenten-Eskorte bestellt hat. Zu den wenigen offen gelegten Errungenschaften gehören zudem mehr als 3000 Teile Geschirr: unter anderem Teller mit Goldrand und goldenen Darstellungen der Säulen des Alvorada-Palastes, sowie mehr als 600 neue Kristallkelche. Der Präsident ist während seiner Amtszeit nicht nur von einheimischen Zigarillos auf feine holländische umgestiegen, er hat sich auch vom Zuckerrohr-Schnaps-Liebhaber zum Weinkenner entwickelt und genießt jetzt gerne mal in italienischen Restaurants einen importierten Tropfen – zu 600 Euro die Flasche. Und einer der Ökonomen, der für die Ausgaben der Präsidentengattin zuständig ist, zählte zwischen Januar und August 2004 mehr als 21.000 Euro monatliche Kosten für die Erste Dame. Wofür? Ist ein Geheimnis. Die Presse spekuliert auf Botox-Behandlungen für sie und ihn, diverse Liftings und eine komplett neue Garderobe.

Natürlich leben auch andere Präsidenten nicht in Sozialwohnungen, tragen Second-Hand-Klamotten oder kaufen beim Discounter ein. Aber niemals in der Geschichte dieses Landes hat ein Oppositionsführer seine politischen Gegner so häufig zur Bescheidenheit aufgerufen wie Lula, als er noch nicht selbst den Schlüssel zum Staatstresor in der Hand hielt. Jetzt hält er Kritik an seinem Lebensstil für Mangel an Respekt. Zu Journalisten, die hartnäckig auf mehr Transparenz drängten, sagte der Staatschef am vergangenen Dienstag knapp: „Die Präsidentschaft ist eine Institution, und die Leute müssen lernen, diese zu respektieren.“

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