Mittwoch, 13. Februar 2008

Knall die Gefangenen ruhig ab

In Brasilien ist seit dem Film „Tropa de Elite“ das Bope-Fieber ausgebrochen, und dessen Protagonist Hauptmann Nascimento ist der neue Held des Landes. Mit neuerdings erschreckenden Konsequenzen. In den letzten Wochen und Monaten haben Polizisten den Filmsong absingend Verdächtige verprügelt oder sich von den im Film gezeigten Foltermethoden inspirieren lassen. Der bisherige Höhepunkt des Brutalo-Heldenwahns: Der Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso do Sul – weit unten im wilden Süden, wo noch echte Cowboys leben – fordert Polizisten auf: „Ihr könnt ruhig schießen!“.

Losknallen dürfen die Gesetzeshüter nach Meinung André Puccinellis, sobald ein Gefangener auch nur Anzeichen einer gewalttätigen Reaktion zeigt. Anzeichen sind eine Sache der Interpretation, theoretisch könnte also durchaus mal einer drauf gehen, nur weil er sich am Gemächt gekratzt hat. Anlaß des Schießbefehls von oben war allerdings eine ernstere Situation; eine beginnende Gefängnisrevolte im von Puccinelli regierten Bundesstaat. „Toleranz unter Null“, rief da der Gouverneur markig aus. „Sobald einer auch nur Anzeichen einer Reaktion zeigt, dürft ihr Polizisten auf den schießen, das ist ein Befehl des Gouverneurs“.

Natürlich hat die Geschichte von Puccinelli nicht zwingend mit dem Film von José Padilha zu tun, der gerade auf der Berlinale läuft. Aber irgendwie erinnert sie doch an eine Szene, in der die Polizisten der Elitetruppe versuchen, eine Favela für den geplanten Besuch des Papstes im Armenviertel abzusichern, und dabei ungeplant einen womöglich Unschuldigen tödlich treffen: „Der geht auf die Rechnung vom Papst“, sagt darauf Hauptmann Nascimento lapidar. Diverse Sprüche aus dem Film sind bereits Alltagsjargon geworden. In Mato Grosso do Sul könnte der nächste heissen: „Der geht auf die Rechnung vom Gouverneur“.

Wäre ja eine einfache Lösung, bei drohenden Gefängnisrevolten die Häftlinge einfach abzuknallen. Bei der bisher größten Gefängnisrevolte Brasiliens im Jahr 2001 in Sao Paulo haben 28.000 Häftlinge in 29 Anstalten gleichzeitig in 19 Städten rebelliert. Damals gab es 16 Tote. Ginge es nach Puccinelli, hätten es viel mehr sein können. Entlastet das System. Ist aber gegen das Gesetz, das dem Staat eine Sorgepflicht für den Eingesperrten auferlegt. Daran hat der Politiker im Eifer des Moments - und der heimlichen Sehnsucht, ein kleiner Nascimento zu sein? - wohl nicht gedacht. Die Situation in seinem Knast erinnert durchaus an die Probleme, die der Film-Polizeihauptmann Nascimento so kaltblütig angeht: bei einer Visite fanden sich alkoholische Getränke, Prostituierte im Einsatz und Drogen; ein Häftling ist sogar einmal vor laufender TV-Kamera geflohen.

Für den Spruch mit dem Abknallen hat Puccinelli allerdings gleich von der Anwaltskammer einen auf den Deckel bekommen. Später ließ er seine Presseleute deswegen vorsichtshalber erklären, seine Aussage sei als Metapher zu verstehen. Er habe Härte demonstrieren aber keinesfalls zu kriminellen Handlungen auffordern wollen. Hübsche Erklärung. Was würde unser Held Nascimento wohl sagen? Vermutlich: „Bitte um deine Entlassung Null Eins!“

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