Sonntag, 18. März 2007

Der Regen, der Umzug und allerlei Versprechen

Der Regen kommt in diesem Jahr zu früh. Schon seit Karneval gießt es die meisten Strassen zu Schlammfurchen, nicht nur mein Haus zu einer tropfenden Höhle und manche Menschen in Alkohol und Depression.

Bis einen halben Meter vor meinen Schreibtisch weht der Wind die Tropfen, als mein Vermieter vorbei kommt. „Du bist mir sympathisch“, hebt er voll alkoholisiertem Pathos an. „Wirklich, ich mag dich von Herzen“. Sein Besuch fällt zusammen mit dem Ende meines Zeitmietvertrags. Jederzeit verlängerbar, hatte er vor sechs Monaten beteuert, als ich mit Möbeln und Hunden, Pflanzen und Katze eingezogen war. Damals hatte er auch versprochen, das Haus regenfest zu machen.

Gleich nach der Beinahe-Liebeserklärung wird der Mann geschäftlich: „Wir können den Vertrag sofort verlängern.“ Nur. Er müsse ja auch leben. Also: Die doppelte Miethöhe müsse künftig schon drin sein. Strom extra, versteht sich. „Ist das ok für dich?“, fragt er strahlend. Leider ist es das nicht. Leider gibt es auch keinen Mieterbund hier. Aber zum Glück jede Menge freier Wohnungen in allen Strandorten, sobald die Regenzeit eingesetzt hat: Wer will dann schon noch an den Strand.

Ein neues potentielles Zuhause ist in wenigen Tagen gefunden. Angesichts des eingebrochenen Winters läßt sich Dona Fátima sogar um 15 Prozent runterhandeln. Und zwei Doppelschichten Streichen und sieben Farbeimer später sieht die Wohnung tatsächlich nach einem potentiellen Zuhause aus. Das beeindruckt Dona Fatima so, dass sie schuldbewusst meint: „Eigentlich müßte ich dieses häßliche Waschbecken in der Küche dringend auswechseln.“ Jaja, denke ich, kenne ich schon, habe ich alles schon gehört. Haus winterfest machen, Garten einzäunen, hat der letzte Vermieter auch erzählt. „Und für diese Badezimmertür müßte ich neue Farbe kaufen“, überlegt Fátima weiter. Ich lasse sie reden. Ich habe andere Sorgen.

Der Ort hier ist ziemlich klein. So klein, daß es keine Post, keine Apotheke und keine Bank gibt. So klein auch, daß es keinen Umzugslaster gibt. Deswegen habe ich im Nachbarort einen bestellt, schon vor Tagen. Als ich telefonisch den Termin bestätigen will, sagt der Mann: „Alles klar. Aber es regnet ziemlich viel. Der Schlamm, du weißt schon. Da muß ich ein bißchen mehr berechnen.“ Zwölf Stunden vor dem Umzug stapfe ich in der Abenddämmerung durchs Dorf auf der Suche nach Alternativen. Finde kleine Karren, mit denen mein Kram in einem Dutzend Fuhren noch nicht transportiert wäre. Und schließlich schon im Dunkeln den schmucken weißen Mini-Laster von Seu Chico.

Seu Chico hat einen Zweitwohnsitz mit Zweitfrau im Dorf und gerade seinen freien Tag. In einer Stunde sei er zu sprechen, erklärt die Zweite mit verwühltem Haar am offenen Fenster. In einer halben Stunde zähen (und teuren: am Handy!) Handelns drücke ich Seu Chico bis auf den Preis des Wagens aus dem Nachbarort. Jetzt fehlen nur noch die Möbelpacker. Arbeitslose Jungs gibt es genug. Drei davon versprechen freudig: sie sind morgen um acht vor meinem Haus.

Pünktlich um acht steht Seu Chico mit seinem Lkw vor meinem Haus. Keine Jungs. Die Spontanauswahl ist gering. Lese ein paar schlaftrunkene Gestalten aus der Strandkneipe auf, die sich mehr mitziehen lassen, als daß sie freiwillig kommen. Stelle mich taktisch in den Weg, damit sie beim Anblick der Massivholzmöbel nicht gleich wieder fliehen.

Sie fliehen nicht. Nicht mal, als sich herausstellt, daß Seu Chico nicht bis an Fátimas Haus fahren kann und wir alles die letzten hundert Meter den Berg hinauf tragen müssen. Bei strahlendem Sonnenschein und über 30 Grad. Am eifrigsten schleppt Fatimas 14jährige Tochter. „Ph“, sagt sie jedes Mal, wenn einer der Jungs ihr ein schweres Teil abnehmen will. Zwischendurch holt sie kühles Wasser für uns aus allen Nachbarhaushalten.

Irgendwann sind wir tatsächlich fertig. Mittags sitze ich allein zwischen Kisten, draussen entladen sich gewaltige schwarze Wolken, und es regnet nirgends rein. Dann bemerke ich: Fátima hat ein neues Waschbecken einbauen lassen. Darauf steht die Dose Farbe für die Badezimmertür.

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