Sonntag, 11. März 2007

Besser parken

Wieso sie diese lächerlichen Staubtücher in der Hand halten, habe ich nie so recht verstanden. Autos werden ja in diesem Sinn nicht abgestaubt. Wahrscheinlich ist es eher so eine Art inoffizielle Uniform. Jedenfalls haben die Tücher den Typen ihren Namen gegeben: Flanelinhas.

Ich habe in Brasilien bislang noch keine Parkuhr entdeckt. Vielleicht gibt es im angeblich organisierten Süden welche. Hier im kreativ chaotischen Nordosten wedelt hingegen unverzüglich einer mit einem Staubtüchlein herum, sobald ein Autofahrer seinen Wagen in einer Innenstadtstrasse abbremst. Mit großen Gesten preist der Flanelinha seine perfekte Parklücke an, die er dem Ankömmling extra reserviert hat. Ohne einen Flanelinha zu parken, geht eigentlich nur in Parkhäusern und in der Pampa.

Flanelinhas sind inoffiziell, halb- bis illegal – und eine tolle Sache. Der Deal funktioniert so: Die Jungs sind jeweils Herrscher über eine bestimmt Menge zahlungspflichtiger Parklücken mit begrenzter Parkdauer. Für zwei Reais vergeben sie Parkzettel, in die Autonummer und Ankunftszeit eingetragen werden. Am nächsten Kiosk kosten die gleichen Parkzettel nur einen Real. Die Flanelinhas sind natürlich keine Betrüger. Sie nehmen den Autofahrern erstens das Ausfüllen ab und verpflichten sich zweitens, auf den Wagen gut aufzupassen. Gegen einen geringen Aufpreis waschen sie ihn sogar.

Viel wichtiger ist aber, daß die Flanelinhas alles möglich machen. „Doktor (sie nennen jeden halbwegs ordentlich angezogenen Menschen Doktor, das schmeichelt), natürlich habe ich einen Platz für den Herrn“ sagen sie, wenn einer im größten Rummel angefahren kommt, und alles hoffnungslos besetzt scheint. Was heißt scheint – es IST alles besetzt. Macht nix. Einfach in die verbotene Zone gleich dahinter stellen, Handbremse nicht anziehen, Gang raus, fertig. Der Flanelinha kennt seine Kunden, begrüßt Stammparker mit Namen, fragt nach den Kindern und weiß natürlich, daß der Fahrer des weißen Fiat vor einem nur mal eben ins Amtsgericht gegangen ist, daß die Politesse gerade vor zwei Minuten hier war und also frühestens in zwanzig wieder vorbeikommt. Bis dahin steht niemand mehr im Parkverbot. Kann Parken besser organisiert sein?

Den Versuch gibt es. In Rio sind die Flanelinhas seit zehn Jahren offiziell anerkannt. Sie dürfen die Parkzettel mit behördlicher Billigung für zwei Reais verkaufen – der Handel am Kiosk ist verboten. Es gibt sogar eine Flanelinha-Statistik in Rio: 5000 Freiberufler sind mit ihren Staubtüchlein unterwegs. Sie verwalten 43.000 Parkplätze. Besser läuft das Parken in Rio deswegen nicht. Zur Zehn-Jahresfeier der offiziellen Berufsgenehmigung hagelt es Beschwerden: Staubtuchwedler lotsen Autofahrer ins Parkverbot, um mehr zu verdienen als die ihnen zugeteilten Parkplätze hergeben, meckern die Kunden. Und manche berechnen gar die Gebühr und rücken hinterher den Parkzettel nicht raus.

Da sieht man mal wieder, daß zu viel Reglementierung zu Trägheit verleitet. Anscheinend haben es die offiziellen Flanelinhas in Rio nicht raus, ihre Kundendaten auswendig zu lernen und die Politessen ordentlich zu beobachten. Und die Autofahrer haben es nicht raus, einfach mal den Gang rauszunehmen. Oder selbst zu gucken, ob sie im Parkverbot stehen. Oder erst zu zahlen, wenn sie den Parkzettel schon in der Hand halten. Dabei tragen die Jungs in Rio als Uniform sogar eine graue Weste und es gibt ein offizielles Beschwerdetelefon: Da rufen im Monat sechzig unzufriedene Kunden an. Man könnte fast vermuten, inoffiziell parkt es sich besser.

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