Freitag, 27. März 2009

Das doppelte Paraguay


Brasilianische Schüler schneiden in den meisten Wissenstest nicht besonders gut ab, das ist kein Geheimnis. Besonders bescheiden steht es regelmäßig um die Orthografie-Kenntnisse und allgemein um den Wissensstand der Schüler an öffentlichen Schulen. Die Gründe daür sind vielfältig: Zu wenige Wochenstunden, zu schlecht ausgebildete Lehrer, zu konventioneller Frontalunterricht mit Auswendiglernen. Neuerdings lässt sich der Liste hinzu fügen: zu schlechte Bücher.

Wie bereits an anderer Stelle in diesem Blog berichtet, glauben zwei Prozent der hiesigen Schüler, sie lebten mitten in Afrika. Jedenfalls siedelten sie ihr Land auf einer Weltkarte in diesem Kontinent an. Künftig könnte es noch schlimmer kommen: Ein im laufenden Schuljahr an brasilianische Schüler ausgegebenes Geographie-Lehrbuch zeigt Brasilien zwar an der richtigen Stelle in Südamerika. Aber sein Nachbar Bolivien heißt in diesem Buch Paraguay. Wo Paraguay tatsächlich liegt, steht richtigerweise ebenfalls: Paraguay. Scheint niemandem im Schulbuchverlag aufgefallen, dass das Land gleich zweimal vorkommt. Das heißt: Zweimal Paraguay in der Schülervariante. In der Lehrerausgabe gibt es zwei Uruguays und ebenfalls kein Bolivien. Dafür ist Ecuador in beiden Ausgaben ersatzlos gestrichen.

Im vergangenen Jahr hatten bereits Englischlehrer im gleichen Bundesstaat darauf hingewiesen, dass in einem Lehrbuch ausgerechnet das portugiesische Wort für Bildung – Ensino – falsch geschrieben war: mit c wie Encino. Damals hieß es aus dem Erziehungsministerium des Bundesstaates, es handele sich um einen Tippfehler und es würde jetzt das komplette Lehrmaterial überprüft. Nachdem der Lapsus mit der Landkarte passiert ist, heißt es: die beiden Paraguays seien auf Druckfehler zurückzuführen. Aha.

Ausgewechselt würden die Fehldrucke nicht, hat das Ministerium beschlossen: Es seien schließlich alle Lehrer des öffentlichen Bildungssystems darauf hingewiesen worden und das reiche. Nebenbei: Die Peinlichkeit ist nicht etwa in einem der als ungebildet verrufenen Nordoststaaten passiert, sondern in Sao Paulo.

Und was sagt der Gouverneur von Sao Paulo, Präsidentschaftskandidat für 2010: José Serra? Das sei kein schwerwiegender Fehler, sagt er, weil niemand ernsthaft glauben könne, es gäbe zwei Paraguays. Aber es sei ein Fehler und deswegen würden die Bücher sehr wohl ausgetauscht, und die Mehrkosten trage der Schulbuchverlag Fundacao Varzolini. Eine halbe Million der Version mit doppeltem Paraguay sollen bereits in Umlauf sein.

Foto: : reginagiannetti.wordpress.com/2008/07/

1 Kommentar:

David hat gesagt…

Ob man jetzt "Wurst" entweder "salsicha" oder "salcicha" schreibt, darüber grüble ich als Weder-Portugiese-noch-Brasilianer manchmal selbst. Und dass "conselho" und "concelho" nicht das Selbe sind, musste ich auch lernen.

Aber eines ist wohl unumstritten: Dass sich anhand der zuteilgewordenen Bildung für viele junge Menschen sehr viel entscheidet. Selbst durfte ich Brasilianern zu hören, "ja die öffentlichen Schulen sind nicht so gut", und im gleichen Atemzug „aber, wir sind arm “. Und für Bessersituierte ist es "ganz klar", dass Kinder auf eine private Schule/Universität geschickt werden müssen. Bekannte Angestellte einer in Brasilien vertretenen deutschen Firma schicken ihre Kinder ausschließlich auf private Schulen. Welche gut und gerne mit z.B. 1000 Reais pro Kind und Monat zu Buche schlagen – das muss erst einmal zusätzlich verdient werden, und damit sind viele weitere anfallende Kosten eines Kindes überhaupt noch nicht mit inbegriffen.

Gute Bildung für alle wäre vermutlich mit Schlüssel zu Chancengleichheit, zur Bekämpfung von Benachteiligung und Armut.

Es ist erkennbar, welche Art von Leuten heutzutage Unternehmen brauchen, gerade auch aufstrebende brasilianische, selbst in der Agroindustrie. So wird beispielsweise Zuckerrohr vermehrt durch Maschineneinsatz geerntet und verladen. Unter dem positiven Nebeneffekt, daß Felder hierzu nicht abgebrannt werden müssen.

Und so wie Präsident Lula früher als Arbeitswilliger nach São Paulo kam, reicht es vielleicht in Zukunft für viele solcher Leute nicht mehr alleinig aus, "nur" arbeiten zu wollen. Was in diesem Zusammenhang auch toll ist, zu sehen: Das Engagement einzelner Firmen und Unternehmen, ihren willigen Angestellten diesbezüglich unter die Arme zu greifen. Und berufsbegleitend Unterricht und Weiterbildung anzubieten. Eben, weil es notwendig ist

 
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