Sonntag, 16. März 2008

Die Mango-Party ist vorbei

Beim ersten Mal habe ich geglaubt, es hätte jemand eine Open-Air-Party im Wald gefeiert und zu viel Schnaps dabei gehabt. Danach hat es nämlich gerochen. Stark alkoholhaltig. Flaschen waren aber keine zu sehen. Auch sonst keinerlei Spuren einer Party. Erst nach einer ganzen Weile habe ich gemerkt, dass der Geruch von vergorenen Früchten stammte: Haufenweise Mangos, die auf dem Waldboden vor sich hin gärten. Weil hier in der Gegend so viel uralte und hochproduktive Mangobäume in der Gegend stehen, dass alle professionellen Mangosammlerinnen, zufällig vorbeikommende Spaziergänger, Affen und Fledermäuse zusammen genommen es nicht schaffen, sie auch nur annähernd alle zu verzehren. Nur leider war ich zu spät gekommen, um noch irgend etwas von der paradiesischen Fülle zu haben.

Seitdem habe ich mir angewöhnt, ab September nicht ohne dem aus dem Haus zu gehen, was man in Städten gemeinhin einen City-Rucksack nennt. Ich bin zur Sammlerin regrediert, zur Mango-Sammlerin. Am Anfang der Ernte muß man noch richtig aufpassen, wo es schon reife Früchte gibt, meist ist das bei den Bäumen in den feuchteren Tieflagen zuerst der Fall. Die ersten Früchte sind so begehrt, dass es sogar welche im Supermarkt zu kaufen gibt. Später kaufen nur noch Wochenendeurlauber, breitet sich im Wald immer öfter der Alkohol-Geruch aus. Das rechte Früchte-Sammeln will überhaupt gelernt sein: Bäume direkt an den Hauptfußgänger-Verkehrsadern sind meist schon am frühern Vormittag abgeerntet. Wo Hühner in der Nähe wohnen, sind meist alle, aber auch wirklich alle Früchte irgendwo angepickt. Wo der Boden hart ist, platzen die reifen Mangos schon beim Aufprall auf und verfaulen unmittelbar danach. Am besten ist eine weiche Wiesenlage etwas abseits der Hauptwege. Da sammelt man eine gute Mischung aus reifen und unreifen Früchten, damit das erste Mangoshake gleich beim Ankommen machbar ist – und das letzte Fruchtfleisch erst ein paar Tage später süß wird.

Das kann ich schon ziemlich gut. Ich habe auch längst meine Lieblingsbäume gefunden, nicht zu weit vom Weg, aber auch nicht zu nah, mit verschiedenen Reifezeiten, so daß ich die ganze Erntezeit durch fleissig sammeln kann. Ebenfalls weiß ich, wie man den gesamten verzehrbaren Teil einer Mango durch ein winziges in die Schale gebissenes Loch heraussaugen kann, ohne sich auch nur die Finger schmutzig zu machen – ideal für den spontanen Snack unterwegs. Nur welche Sorte Mangos ich eingesackt habe, merke ich leider meistens immer noch erst zuhause beim Schälen. Manchmal entpuppen sich die vermeintlichen Prachtstücke dann als nahezu ungenießbare, fast ausschließlich aus harten Fasern bestehende Exemplare, die ich nicht ausstehen kann. Lecker ist eine anscheinend nur hier im Nordosten heimische herbsaure Sorte, die Ananas-Mango heißt, ebenfalls akzeptabel eine von ordentlicher Qualität, die Manga Espada heißt, und die Königin ist eine exquisite Art, zart wie Butter, die Manga Rosa heißt und auch rosa aussieht. Deren Standorte sind vermutlich eine Sache der höheren Weihgen und für Fremde nicht ohne Weiteres erreichbar: Manga Rosa habe ich noch nie selbst gefunden, höchstens geschenkt bekommen.

Von Mangos kann man sich übrigens beinahe ernähren. Zuerst habe ich nur Shakes gemixt und Saft gemacht. Dabei gibt es unendliche Mangorezepte, vom Mangocurry über das Mangochutney bis zur Mangomarmelade mit Vanille und Cointreau. Die habe ich im letzten Jahr mit den allerletzten Früchten schon ganz am Ende der Ernte ausprobiert. Als ich endlich die richtige Mischung entdeckt hatte, gab es Mangos nicht einmal mehr im Supermarkt zu kaufen. Nächstes Jahr mache ich das anders, habe ich mir vorgenommen: Da sammele ich mir eine ganze Schubkarre voll und mache ein, was das Zeug hält, damit ich den ganzen Winter über Marmelade essen kann.

Seit ein paar Tagen regnet es hier. Winterverdächtig. Gestern habe ich mich also aufgemacht. Zwar nicht mit der Schubkarre, aber immerhin mit City-Bag und diversen Plastiktüten extra. Zuerst habe ich meine Lieblingsbäume abgeklappert. Nichts. Dann habe ich mich weiter in den Wald vorgewagt. Da gab es Mangos in Fülle. Auf dem Boden. Vergoren. Es roch stark nach Alkohol, und damit war klar: Ich bin schon wieder zu spät gekommen. Die Mango-Party ist vorbei.

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