Mittwoch, 18. August 2010

Lulas emotionale Ignoranz


Vielleicht liegt es daran, dass er so beliebt ist. Mehr als 80 Prozent Zustimmung, und das in einem Land mit 190 Millionen Einwohnern, das kann einem Mann schon den Kopf verdrehen. Es ist fast zu hoffen, dass Lula nicht in normaler Verfassung war, als er kürzlich den bisher gröbsten Unfug seiner ohnehin nicht gerade rühmlichen Diplomatie-Geschichte verkündete.

Dabei gab es durchaus ähnliche Fälle in der Vergangenheit, aus denen Brasiliens charismatisches Oberhaupt hätte lernen können. Zum Beispiel die Episode bei seinem Kuba-Besuch, als er sich weigerte, die politischen Gefangenen zu besuchen oder auch nur freundliche Worte für sie zu finden. Arrogant und befremdlich wirkte es, als der ehemals selbst wegen seiner Gesinnung inhaftierte Lula die inhaftierten Oppositionellen auf Fidels Insel mit gemeinen Verbrechern in Sao Paulo gleich setzte. Politisch richtig peinlich wurde es, als die spanische Regierung und die katholische Kirche sich erfolgreich für die „gemeinen Verbrecher“ einsetzen.

Doch Lula kann noch schlimmer. Nicht nur, dass er sich neben diversen afrikanischen Diktatoren und den Südamerikanern Chavez und Morales ausgerechnet Ahmadinejad als neuesten Busenfreund ausgesucht hat. Er stellt diese Busenfreundschaft außerdem nonchalant über die Menschenrechte. Gefragt, ob er sich für die zur Steinigung verurteilte Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani einsetzen würde, sagte Lula: „Da ist Vorsicht erforderlich, denn die Leute haben Gesetze, die Leute haben Regeln. Wenn sie anfangen würden, ihre eigenen Gesetze zu missachten, um den Bitten von Präsidenten nachzukommen, dann wird es bald lächerlich.“ Daraus ließe sich problemlos schlussfolgern: Die Menschenrechte zu respektieren scheint Lula lächerlich.

Ein paar Tage später schienen dem brasilianische Präsident Zweifel über seine eigene Aussage gekommen. Jedenfalls kam er bei einer Wahlkampfveranstaltung für seine Wunschnachfolgerin noch einmal auf Sakineh zu sprechen. In der ihm eigenen spontanen und lässigen Art, mit der er die Wähler so spielend für sich gewinnt, lancierte er etwas, was er selbst als „humanitären Appell“ bezeichnete und kündigte an, er werde seinen Kumpel Ahmadinejad anrufen, um über den Fall zu sprechen. Den Appell formulierte Lula folgendermaßen: „“Wenn diese Frau Unbehagen auslöst, werden wir sie gerne hier in Brasilien aufnehmen.“ Damit lag er gleich doppelt daneben. Unbehagen löst nicht Frau Mohammadi Ashtiani aus, sondern die Art, wie das Regime von Ahmadinejad mit ihr umzugehen droht. Ganz abgesehen davon, was die Bezeichnung „diese Frau“ über den Respekt aussagt, den der Sprecher der Verurteilten entgegen bringt. Wie um seine erschreckend ignorante Haltung zu zementieren, trällerte der Präsident abschließend fröhlich einen brasilianischen Gassenhauer, dessen Refrain lautet: „Wirf den ersten Stein, ai, ai, ai“.

Nicht nur beim Freien Sprechen unterlaufen dem Präsidenten solche groben Schnitzer. Auch überlegt vorgebrachte Aussagen können ihm peinlich geraten. Der iranische Regierungssprecher kanzelte Lulas seltsames spontanes Asylangebot ziemlich harsch ab und befand – hart an der Grenze der Beleidigung, der brasilianische Präsident sei „sehr menschlich und emotiv, aber wohl nicht ausreichend informiert über den vorliegenden Fall“. Das ist zumindest insofern zutreffend, als Lula selbst vorher reichlich naiv geäußert hatte: „Über den Fall der Menschenrechte im Iran, da weiß ich nicht, wie die funktionieren.“

Die Adjektive menschlich und emotiv klingen denn auch aus dem Mund des Sprechers des iranischen Außenministeriums nicht gerade wie ein Kompliment. Aber das kommt bei unserem beliebten Präsidenten nicht an. Ist der Mann so an Zustimmung gewöhnt, dass er alle Kritik einfach ausblendet, umdeutet, rationalisiert, wie die Psychologen sagen? Anders ist es kaum zu verstehen, wenn er dem Regierungssprecher immer noch fröhlich antwortet: „Ich bin glücklich, dass der iranische Minister gemerkt hat, dass ich ein emotionaler Mann bin. Ich bin sehr emotional.“ Das heißt dann wohl emotionale Ignoranz.

Foto: Lula weint über die Nationalelf (gesehen bei estadao.com.br, Foto von Paulo Liebert AE)

3 Kommentare:

Ulysses Freire da Paz Jr. hat gesagt…

Vor lauter Bäume sieht man den Wald nicht mehr, genauso wie der Vorurteil einen verhindert, eine sinnvolle Realität zu begreifen.
Was sollte sich dann der spanische Präsident über Lula gedacht, als er ihn zu " Der man, der die Welt erstaunt" ernannt?
http://www.elpais.com/articulo/internacional/hombre/asombra/mundo/elpepuint/20091211elpepuint_1/Tes
Sieht doch mal was Leonardo Boff sich über Lula denkt!

http://www.vermelho.org.br/noticia.php?id_secao=6&id_noticia=137756

christine wollowski hat gesagt…

das schöne, ulysses, ist ja, dass jeder seine eigene meinung zu lula haben darf: zapatero, boff, sie und ich auch!

Amóes Xavier hat gesagt…

É, fazer o que? cada cabeça com o seu mundo

 
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