Freitag, 23. Juli 2010

Neue Banditen an die Macht?


Bald ist es wieder soweit. Das brasilianische Volk wird seine Vertreter wählen. Und die Banditen stehen schon Schlange. Das darf man sich getrost vorstellen wie ein direktes Erbe der Kolonialzeit: Damals haben die Herren einfach ihren den Sklaven und sonstigen Untertanen gesagt, wo es lang ging. Und als es dann etwas zu wählen gab, hieß das noch lange nicht, dass wirklich gewählt wurde. Denn natürlich gab es da immer noch Herren, die ihren Untertanen sagten, wo das Kreuz zu machen war.

Heute sagen die Bandenchefs auf den Hügeln vor allem von Rio de Janeiro schon den Kandidaten, ob sie überhaupt Wahlkampf machen dürfen, in dem jeweiligen Slum. Und vorsichtshalber auch noch den Bewohnern desselben, wen sie zu wählen haben. Natürlich vorzugsweise Leute aus den eigenen Reihen. Das klappt gut und ist schwer nachweisbar. Bei den letzten Wahlen hat das Wahlgericht in Rio recherchiert, dass mindestens 100 der Kandidaten für politische Ämter in der Stadt zur Zeit des Wahlkampfs des Mordes angeklagt oder sogar bereits wegen eines Mordes verurteilt waren. Untersucht hat das Gericht diese Fälle nicht etwa, um diese Kandidaten auszuschließen. Die Beamten forderten einen Metalldetektor am Eingang ihres Gerichtsgebäudes und brauchten dafür Argumente. Solange ihnen keine Verbindung zum organisierten Verbrechen nachgewiesen ist, durften Mörder so lange gewählt werden, bis sie in letzter Instanz verurteilt waren. Ganz legal.

Damit soll jetzt Schluss sein. Bei den jetzt bevorstehenden Wahlen soll bereits das neue Wahlgesetz in Kraft treten. Mehr als eineinhalb Millionen Menschen hatten ihre Unterschrift unter den Gesetzesentwurf gesetzt, der im Mai verabschiedet worden ist und strengstes Vorgehen gegen Wahlverbrechen vorsieht. Wegen bestimmter Verbrechen vorbestrafte Kandidaten sollen gar nicht mehr zugelassen, Stimmenkauf und Co. generell verhindert werden. Das klingt gut und ist sicher ein Fortschritt. Ob aber wirklich alle Banditen außen vor bleiben – da ist sich nicht mal der Präsident des Wahlgerichts sicher, wie er kürzlich in einem Interview der Zeitschrift Veja zugab.

„Man darf nicht vergessen, dass die politischen Parteien die ersten sind, wenn es darum geht, Kandidaten mit schmutziger Weste zu legitimieren“, sagte Nametala Machafo Jorge reichlich direkt. Und genau hier schließt sich der Kreis. Die Banditen auf den Hügeln sagen den Untertanen wo es langgeht, und welcher Kandidat der wichtigste ist. Wenn dadurch dieser Kandidat für eine Partei ein interessantes Gewicht bekommt, - dann wird wohl die Partei einiges für ihn tun. Schmutzige Vergangenheit lässt sich prima vertuschen. Dass theoretisch die Einträge ins Strafregister theoretisch im Internet abrufbar sind, stört dabei keinen großen Geist – erfahrungsgemäß gucken die Wähler da sowieso selten nach.

Die Statistik sagt nichts darüber aus, ob die Nicht-Nachgucker dieselben sind, die für das neue Gesetz gestimmt haben. Oder zu welchem Prozentsatz die 1,6 Millionen Befürworter des neuen Gesetzes aus den Armensiedlungen kommen, in denen laut Gerichtspräsident Nametala „nicht mal das Grundlegendste gesichert ist: dass die Wahlen in Freiheit stattfinden, wie es in einer guten Demokratie der Fall sein sollte.“ Ziemlich sicher scheint hingegen, dass auch diesmal Banditen an die Macht gelangen werden. Vielleicht immerhin ein paar weniger als vor vier Jahren.

Foto : ssp.se.gov.br
So sieht man die Herren Kandidaten natürlich nicht, das Foto zeigt normale Banditen, ganz ohne reingewaschene Westen.

2 Kommentare:

Jan-Peter hat gesagt…

Gibt es Quellenangaben für die Behauptungen? Zum Beispiel ein paar Namen bei Politikern im Amt, die diese Laufbahn hatten?

christine wollowski hat gesagt…

bei diesen angaben beziehe ich mich auf eine recherche aus dem jahr 2008, die zu folgndem artikel geführt hat:

http://www.zeit.de/online/2008/41/demokratisch-gewaehlte-banditen-in-rio-de-janeiro

hier finden sich einige namen von gewählten politikern sowie kandidate aus dem jahr 2008 und deren krimineller steckbrief:

http://ofca.com.br/artigos/2008/10/08/071008-eleicoes-perdas-e-ganhos-ii-%E2%80%93-bandidos-infiltrados/

die daten der kandidaten für 2010 sind hier einsehbar:

http://divulgacand2010.tse.jus.br/divulgacand2010/jsp/index.jsp

 
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