Donnerstag, 1. Oktober 2009

Schlechtes Karma und schlaflose Nächte


Was ist schlimmer, schlechtes Karma oder schlaflose Nächte? Letztens bin ich mitten in der Nacht von seltsamen Geräuschen wach geworden. Klang so, als würde jemand an den Dachziegeln rütteln. Genaueres Hin-Lauschen ergab, dass das Geräusch vom Dachfirst kam. Innen. Taschenlampe geholt, geleuchtet. Da guckte ein Tier auf mich runter. Mit rundlichen weißen Ohren, einem gestreiften Gesicht und einem Körper, den es lang und platt zwischen Dachbalken und Dachziegel gequetscht hatte. Wozu es da eingeklemmt war? Keine Ahnung. Während wir uns so anstarrten, schlängelte es sich in Zeitlupe weiter, Dachziegel anhebend, den langen nackten Schwanz um den Balken geschlungen.

Von unten bellten die Hunde den Eindringling wütend an, was den wenig kümmerte, waren schließlich beruhigende drei Meter Höhenunterschied zwischen ihm und den Bellern. Mein Kater, dem die Höhe wenig ausmachen würde, saß still und unauffällig in einer Ecke des Wohnzimmers – wahrscheinlich fürchtete er sich vor dem Tier, das deutlich größer war als er. Und ich starrte. Tiere töten bringt schlechtes Karma, fiel mir ein. Weil ich außerdem weder ein Waffe noch eine gute Idee hatte, ging ich irgendwann wieder ins Bett.

Am nächsten Tag suchte ich Rat bei Freunden und Nachbarn. Eie Freundin sagte: Das sind zwei. Die leben als Pärchen und haben garantiert längst ein Nest auf dem Dach, das musst du ausheben. Und warnte: die fressen Hühner und auch manchmal Katzen. Sie bezeichnete das Tier als Timbú.

Timbú, weiß ich inzwischen, ist ein typischer Ausdruck aus Pernambuco, der ein Beuteltier benennt, das anderswo Gambá genannt wird, sich von Früchten, Getreide oder Kleintieren ernährt und Nester gerne in Bäume baut. Der Cashew-Baum des Nachbarn reckt seine Äste weit über mein Dach. Darin versteckt sich womöglich das Nest. Gambá-Kinder zu töten bringt sicher doppelt schlechtes Karma.

Also habe ich Gift gelegt. Fies und gemein und in zwei Varianten. Einmal Rattengift in einem Schälchen, zwischen Dachbalken geklemmt, sodass auch sicher nicht die Katzen dran kommen. Das ist für Nagetiere, Gambás sind Nagetiere, also funktioniert das – so die Argumentationskette des Verkäufers. Und einmal in Form von Zementpulver, mit Maisschrot gemischt: den Zement sollen die Nager versehentlich mit verschlucken, und dann innerlich zementieren. Bringt sicher auch schlechtes Karma. Falls es je dazu kommt. Denn die Giftgaben sind auch nach zwei Nächten unberührt.

Mein Bekannter sagt: Die kommen Pferdefutter fressen. Und weil es das bei dir früher im Schuppen gab, bist Du auf deren Route gelandet. Der nächtliche Besucher war ein Späher, der hat nichts Fressbares gefunden, also kommen sie in ein paar Wochen wieder nachsehen. Die wirst du nicht mehr los!

Meine Bekannte sagt: Die kommen die Küken deiner Nachbarin fressen. Und schleichen sich über dein Haus an. Und weil sie nie die ganzen Tiere fressen, sondern nur die Innereien, werden sie hinterher die Leichen bei dir liegen lassen. Dann glaubt deine Nachbarin, dein Kater sei der Mörder gewesen.

Im Internet heißt es: Gambás sind immun gegen Schlangengift, nur eine Dosis, die 4000 Mal stärker wäre als um einen Bullen zu töten, brächte einen Gambá um. Und sie fressen nicht nur Hühner, sie schlürfen auch Hühnerblut direkt aus der Arterie.

Abends sitzt mein Kater jetzt oft auf einer der Zwischenwände, die nicht bis zum Dach hoch gezogen in Fischerhäusern die Zimmer voneinander trennen. Dann starrt er auf die Dachbalken. Keine Ahnung, ob er da etwas sieht oder riecht oder nur auf eine Chance wartet, seine Feigheit vom letzten Mal wett zu machen.

Ich wache inzwischen mehrmals pro Nacht von Geräuschen auf. Die sich dann jedes Mal als eingebildet heraus stellen. Meine Füße setze ich auch tagsüber nur noch vorsichtig auf – immer darauf gefasst, in eine von Innereien befreite Kükenleiche zu treten.

Mein Nachbar nennt das Tier Cassaco und empfiehlt eine Lanze. Nachts bereit gestellt, neben dem Bett. Beim leisesten Geräusch aufspringen und zwischen Balken und Ziegel zielstrebig zustechen. Kaltblütig abmurksen. Und dann glücklich weiter schlafen.

Seit gestern denke ich darüber nach, wie ich mir am besten eine Lanze baue. Ob schlechtes Karma wohl Schlaflosigkeit verursacht?

Foto: Daniel Lavenere

4 Kommentare:

Bruno hat gesagt…

Oi Christine!
Tudo bem?
Versuch es doch mal mit lauter Gitarrenmusik! Aber nimm Sepultura, die sind brasilianisch – das verstehen die Biester ;-)
Oder lass einfach nachts das Licht brennen, sofern Du auf dem Dachboden sowas hast. Das wirkt zumindest bei Mäusen...
Normalerweise haben solche putzigen Tierchen eine empfindliche Nase... räuchere mal den Dachboden mit ner Pulle Insektenspray aus! Danach sind nicht nur die Motten und Moskitos weg GRINS
Und wenn Du schon so mutig warst und bereits auf Sichtweite herangewesen bist, bau Dir doch mal eine Katschi. Woanders heißt das Ding wohl auch Zwille oder Steinschleuder. Ich rede von einer kleinen Astgabel, an deren zwei Armen bindest Du einen (Einweck-) Gummi und „schiesst“ dann mal ein paar Kieselsteine auf die Unruheherde.
Weitere Varianten fallen mir grad nicht ein, aber ich will Deine Kreativität hier nicht völlig ausbremsen!
Zu der „Hühner-Klau-Version“ noch ne Anmerkung: Sollten diese Plagegeister also wirklich so auf Hühner stehen und deren Blut im Stile von Draculla vertilgen, dann hätte doch Deine Nachbarin schon längst mal etwas davon mitbekomen oder? Meinst Du nicht, daß der Verlust einiger Schützlinge sie schon längst beunruhigt hätte?
Um Abraço Bruno

Unknown hat gesagt…

Es handelt sich um ein Opposum.

http://de.wikipedia.org/wiki/Opossums

Bruno hat gesagt…

Oi Christine,

mir ist da noch etwas eingefallen:

Wir hatten mal einen Marder auf dem Dachboden und die Nachbarn rieten uns, einen alten Lappen mit Petroleum oder Benzin zu tränken und diesen Lappen dann auf den Dachboden zu legen.

Irgendwann war der Marder weg. Warum? Konnte ihn nicht mehr fragen ;-) Aber eventuell hilft dieser Trick ja auch gegen Deinen Mitbewohner?

Insektenspray verfliegt sehr schnell und hätte wohl nur eine kurzzeitige Wirkung...

Abraço Bruno

christine wollowski hat gesagt…

nach all den wunderbaren tipps hier ist es beinahe schade, dass das opossum sich seitdem nicht mehr hat blicken lassen. immerhin: ich bin gerüstet!

 
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