Montag, 5. Oktober 2009
Beamte und die Bildung
Brasilianer, wenigstens hier im Nordosten, lieben Alliterationen bei den Namen ihrer Kinder. Wenn es zu viele Kinder werden und die Fantasie bei der Namenschöpfung erschöpft ist, kann das so enden wie bei meiner Vermieterin. Sie heißt Lenilda, aber in ihrem Paß steht Genilda, weil bereits eine ihrer älteren Schwestern als Lenilda registriert war. Zugegeben ein vergleichsweise geringfügiges Problem.
Präsident Lula soll kürzlich ganz entgegen seiner Gewohnheit gesagt haben, ohne Bildung käme niemand in Brasilien ins Präsidentenamt. Vielleicht schafft das nach ihm wirklich niemand mehr, seine Kandidatin Dilma hat sich ja vorsichtshalber gleich zwei Universitätsabschlüsse in den Lebenslauf geschönt. Woanders hin kommt man in Brasilien allerdings durchaus ohne Bildung. Beamte ohne Bildung kosteten Gilson Ramalho da Costa kürzlich zehn Tage seines Lebens.
Der 38-Jährige war arbeitslos und wollte sich einen Job suchen. Als Putzhilfe. Egal. Die Hauptsache war für ihn, seine Mutter, bei der er wohnte, ein bisschen unterstützen können. Gilson hatte sogar Chancen auf eine feste Arbeit. Es fehlte ihm nur ein Führungszeugnis, dann würde er eingestellt, hatte man ihm in der Personalabteilung gesagt. Also ging er los, sich ein solches Zeugnis zu besorgen. Und dann kam alles anders als geplant. Gilson wartete noch am Schalter, als drei Männer mit einem Dokument auftauchten, das sie als Haftbefehl bezeichneten.
„Gilson, du bist verhaftet“, hieß es plötzlich und ab ging es in eine Massenzelle, in der nicht einmal auf dem Boden genug Platz war, als dass alle dort Inhaftierten sich zum Schlafen hätten hinlegen können.
Gilson hat den Haftbefehl gesehen, Gilson kann lesen. Da stand nicht sein Name, sondern Gerson Ramalho da Costa. Es ist nicht bekannt, ob die in den Fall verwickelten Vertreter der Polizeigewalt lesen konnten. Gilson jedenfalls versuchte vergeblich, ihnen klar zu machen, dass sie mitnichten Gerson inhaftiert hatten. „Wieso stehen dann hier die gleichen Namen bei den beiden Eltern, wie in deinem Ausweis“, fragten die Beamten zurück. „Ganz einfach, weil Gerson mein Bruder ist“, erklärte Gilson. Nutzte ihm alles nichts. Er blieb zehn Tage im Knast.
Derweil hatte der schuldige Bruder den Haftgrund längst aus dem Weg geschafft: Es ging um umgerechnet weniger als 200 Euro Unterhalt, die Gerson seiner Ex-Frau schuldete. Die beiden hatten sich längst geeinigt, als es nach zehn Tagen endlich einem Anwalt gelang, den Unschuldigen Gilson frei zu bekommen. Der will jetzt den Staat auf umgerechnet um die 75.000 Euro Schmerzensgeld verklagen.
Mehr Bildung bewiesen ebenfalls in Sao Paulo bereits vor längerer Zeit ein paar Streifenpolizisten. Die guckten ziemlich genau hin, als sie einen hübschen neuen Toyota in einer Verkehrskontrolle vor sich hatten. Der Name stand gleichlautend auf dem Nummernschild und in allen Fahrzeugpapieren. Obwohl die Hauptstadt des Bundesstaates Santa Catarina mehr als 700 KIlometer entfernt war und den Beamten nicht jeden Tag ein Pkw mit Kennzeichen von dort unter die Augen kam - irgendwie sah das komisch aus:
Frorianopolis*
stand da. Geistesgegenwärtig nahmen die Beamten den Fahrer auf der Stelle fest.
* Die Hauptstadt von Santa Catarina heißt Florianopolis.
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