Dienstag, 11. August 2009

Der Tod auf dem Müll und das verkaufte Sofa

Es gibt hier in Brasilien einen Witz über einen betrogenen Ehemann. Was macht der Betrogene, als er erfährt, seine Frau hat auf dem Wohnzimmersofa mit einem anderen geschlafen? Er verkauft das Sofa.


In Maceió, der Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas*, ist am 30. Juli ein Kind zu Tode gekommen. Der zwölfjährige Carlos André da Silva Santos war auf dem städtischen Müllberg eingeschlafen, und wurde am nächsten Morgen von einem Traktor überrollt, dessen Fahrer das Kind unter einem Haufen Pappe nicht gesehen hatte. Der Traktor zerquetschte den Kopf von Carlos, das Leben des Jungen war nicht mehr zu retten.

Natürlich erhob sich im Volk Empörung angesichts dieses grausamen Todes. Was hatte der Junge auf dem Müllberg zu suchen, fragten manche. Als sei es nicht hinlänglich bekannt, dass ganze Familien auf und neben Müllbergen leben, weil sie aus diesen ihren Lebensunterhalt heraus sammeln. Warum ist er eingeschlafen, fragten andere. Als sei es unvorstellbar, dass ein zwölfjähriger Müllsammler abends erschöpft zusammensackt, ohne sich groß darum zu kümmern, wo er sich gerade befindet. Wer ist schuld an diesem Tod, fragten viele. Vor allem, als bekannt wurde, dass genau diese Müllhalde eigentlich schon seit zwei Jahren hätte desaktiviert werden sollen.

In so einer Lage erwartet das Volk eine Aussage vom Bürgermeister. Und was sagte Cícero Almeida? Er sagte: „Der Müllplatz wird sofort eingezäunt und außerdem werden wir ihn grell erleuchten.“ Da er keine näheren Erklärungen zu diesen geplanten Maßnahmen lieferte, bleibt nur, zu spekulieren: Kinder, die trotz des Zauns künftig auf den Müllplatz klettern, sollen dort wenigstens nicht einschlafen können, weil das helle Licht sie vom Schlafen abhält? Kinder, die auf den Müllplatz wollen, sollen das Ziel ihrer Wünsche nur noch im hellen Licht anstarren können, wie eine unerreichbare Schaufensterauslage? Kinder, die statt zur Schule auf den Müllplatz gehen, sollen dort auf eine ganz andere Weise erleuchtet werden?

Sollte Cícero Almeida je von seiner Frau auf dem Sofa betrogen werden, ist wohl anzunehmen, dass er umgehend das Sofa verkaufen würde.


* Alagoas ist der brasilianische Bundesstaat mit dem zweitniedrigsten Index für menschliche Entwicklung (IDH).

Fotos: Müllhalde - cwollowski, Carlos André - www.tudonahora.com.br

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