Es ein Drama zu nennen, wäre wirklich übertrieben. Es hat eher so etwas Kleines, ein bisschen Lächerliches. Ich nenne es mal Dramolett, was seit dem vergangenen Juni zwischen der Embratur und mir vorgefallen ist.
Die Embratur ist das staatliche brasilianische Fremdenverkehrsamt, dessen Aufgabe es ist, Brasilien als touristisches Ziel zu vermarkten. Dazu gehört auch das Pflegen von Pressekontakten und die Unterstützung von Recherchereisen. In Deutschland hat die Embratur lange keine recht funktionierende Vertretung gehabt. Ich erinnere mich, vor zwei Jahren wieder einmal einen Kontaktversuch gestartet zu haben. Am Telefon wirkte die Dame der Embratur in Frankfurt nahezu geschockt, als sie vernahm, ich sei Journalistin. Nein, sie dürfe nicht mit der Presse sprechen. Ich solle doch bitte das entsprechende Formular auf der Webseite ausfüllen, dann würde jemand mit mir in Verbindung treten.
Das Formular war ein mehrseitiger Antrag auf Unterstützung bei einer Recherchereise. Da ich in sogar für staatliche Stellen annehmbar weiter Zukunft eine solche Reise geplant hatte, die noch nicht finanziert war, füllte ich das Formular aus. Zehn Monate später machte ich die Reise – die andere Sponsoren ermöglicht hatten. Von der Embratur trat nie jemand mit mir in Verbindung. Bis heute nicht.
Als ich letztes Jahr las, die Staatlichen ließen sich neuerdings von einer PR-Agentur vertreten, stimmte mich das nahezu glücklich: PR-Agenturen pflegen mit Pressvertretern zu sprechen und sie nicht an Formulare zu verweisen. Richtig. Eine sehr freundlich Dame sprach zuvorkommend mit mir und zeigte sich überaus interessiert daran, dass ich eine Reportage über die Landeshauptstadt Brasilia schrieb. Brasília war nämlich gerade Kulturhauptstadt Lateinamerikas – und üblicherweise berichtete niemand über andere Kultur in Brasília als die alten Niemeyer-Bauten. Hier begann der erste Akt.
In der bekannt menschenfeindlichen brasilianischen Hauptstadt nach Alltagskultur zu suchen – das fand auch die Redakteurin einer der großen deutschen Tageszeitungen interessant. Prima, freute sich meine PR-Dame und sagt, sie werde sich kümmern und wieder melden. Ich war zu der Zeit in Deutschland unterwegs und vergaß Brasília zwischendurch ein wenig. Zwei Monate später zurück in Brasilien fiel mir die geplante Reise wieder ein. In der PR-Agentur wusste niemand davon. Meine nette Gesprächspartnerin hatte ihren Arbeitsplatz inzwischen gewechselt und kümmerte sich um andere Anliegen. Sowieso, erfuhr ich, war eine brasilianische Agentur für Reiseplanung und Unterstützung zuständig.
Die sehr freundliche Claudete aus dieser Agentur freute sich hörbar darüber, dass ich Portugiesisch sprach und verabredete gleich Reisedaten mit mir. Fröhlich stieg ich in die Planung ein. Claudete war eifrig bemüht, mir die richtigen Gesprächspartner zu organisieren und schickte mir ihren entsprechenden Mailverkehr täglich in Kopie: Es versprach eine tolle Geschichte zu werden. Als ich die Hundeversorgung und die Blumenpflege organisiert und meinen Koffer fast fertig gepackt hatte, erreichte mich wieder eine Mail von Claudete: Das Fremdenverkehrsamt habe sich leider entschlossen, nun doch mit ihrem Restbudget des Jahres ein anderes Projekt zu unterstützen. Das hieß: Zwei Tage vor Abreise war meine Recherche geplatzt.
Akt zwei. Claudete war untröstlich. Schuld sei Brasília. Ich solle nicht böse sein und lieber ein anderes Projekt direkt über die Embratur machen, das würde bestimmt klappen. Ein solches Projekt gab es in der Tat. Eine Reise in ein Naturschutzgebiet am Amazonas, abgelegen, schwer und teuer zu erreichen. Vor allem brauchte ich die Flugtickets und die Bootfahrt. Dafür müsse ich einen Antrag stellen, erklärte Claudete und mailte mir das Formular. Ein mehrseitiges Dokument, das mir bekannt vorkam: es war dasselbe wie das auf der Webseite.
Nachdem ich mein Begehr, Dauer, Ziel und Zweck der Reise, Medium, in der die Geschichte erscheinen würde – mit Durchwahltelefonnummer der verantwortlichen Redakteurin - dargelegt hatte, lernte ich: Nur ein Ticket zu wollen, gilt nicht. Die Embratur sponsert mit Unterkunft und Verpflegung und einer Embratur-Begleitperson. Brauche ich nicht, will ich nicht, dachte ich - und schrieb sehr höflich zurück, zur Kostenminderung würde ich gerne auf die Begleitperson verzichten. Pustekuchen. Claudete wurde deutlich: Entweder mit Anstandsdame oder gar nicht. Ich fügte mich in das Schicksal der Mittellosen und akzeptierte die Bedingungen. Claudete erklärte mir fröhlich, sie selbst werde mich begleiten und schloss ihre Mails fortan mit „herzliche Umarmung“.
Fünf Tage vor Abflug wurde ich ein wenig unruhig, weil es noch keine endgültige Zusage der Embratur gab. "Mein Wort, alles geht klar", versicherte mir Claudete, sie habe sogar ihre Gelbfieberimpfung schon absolviert, ich könne die Koffer beruhigt packen. Dann hörte ich zwei Tage nichts. Zwei Tage vor der Abreise kam eine Mail: Auf Wunsch der Embratur habe die Reise leider noch einmal verschoben werden müssen. Ich packte meinen Koffer wieder aus.
Akt drei. Da sich in mir inzwischen ein gewisses Misstrauen eingenistet hatte, bestand ich darauf, die Buchungsnummer eines E-Tickets zu sehen zu bekommen, bevor ich wieder anfing, Koffer zu packen. Daraufhin rief mich Rodolfo an, Claudetes Vorgesetzter. Der Antrag liege bereits bei der Embratur, versicherte er mir, er bitte mich nur um ein wenig Geduld. Er selbst werde mir morgen Bescheid geben. Darauf folgte Schweigen. Eine Woche später informierte mich Claudete, nicht sie werde mich dieses Mal begleiten können, sondern ein Journalist namens Luis. Luis schlug mir vor, ich könne doch in Manaus nebenbei eine kleine Geschichte über die Museen machen. Tolle Idee.
Eine Woche vor Abreise schickte ich eine Mail an Rodolfo: Ich hatte immer noch keine Bestätigung bekommen. Rodolfo brauchte zwei Tage, um zu antworten, und versicherte, er werde sich persönlich darum kümmern und sich am nächsten Tag bei mir melden. Am nächsten Abend um 21 Uhr klingelte mein Handy und Claudete rief fröhlich: "Du kannst feiern: Rodolfo ist gerade bei der Embratur gewesen und hat die Genehmigung gesehen. Morgen schicke ich sie dir per Mail." Ich trank einen kleinen Fruchtsaft und blieb misstrauisch. Am nächsten Tag: Keine Mail. Kein Anruf. Auch keine Antwort auf meine Mail-Nachfrage. Das war gestern.
Akt vier. Heute habe ich nochmal freundlich angefragt, was ich von der Sache zu halten habe, schließlich soll es am Dienstag los gehen. Prompt kam eine Antwort von Claudete: Sie habe jetzt das endgültige OK vorliegen. Ich könne feiern und die Koffer packen. Geschickt hat sie mir weder die Bestätigung noch eine Flug- oder gar Ticketnummer. Jetzt ist es Freitagabend. Ich habe keine Koffer gepackt. So richtig kann ich nicht daran glauben, dass ich wirklich am Dienstag nach Manaus fliegen soll. Wenn nicht, habe ich mir überlegt, fahre ich eine Freundin hier in der Gegend besuchen, die ich lange nicht gesehen habe. Ist ja auch kein Drama, oder?
Freitag, 3. April 2009
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2 Kommentare:
Als Brasilianer kann Ich dir ruhig sagen: Ich wette, alle vorige Reise- und Unterkunftgelegenheiten wurden abgerechnet, von unserer Regierung bezahlt und von jemand genossen. Nur nicht von dir.
Auf jedem Fall, viel Glück.
Das ist ja schade, jemand bucht eine Reise, will ein Land kennenlernen und erlebt dann das. Sowas trübt... Mein Beileid. Ich hoffe, du kannst nach dem Stress das Land jetzt noch genießen, wünsche es dir!
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