Dienstag, 8. September 2009
Luxus am Lago Sul
Geplant war das alles ein bisschen anders. Aber wo Politik gemacht wird, ist meist das große Geld nicht weit, und das ist in Brasília nicht anders. Neben Rio und Sao Paulo hat sich die Verwaltungsmetropole im Landesinneren als Stätte des Luxus etabliert. Da mögen die Kommerz-Blocks zwischen den Wohnsiedlungen, die sogenannten Entrequadras Comerciais, ursprünglich noch so sozialistisch gleich angesetzt worden sein.
Was in Sao Paulo die DASLU, ist in Brasília die Magrella – zu Deutsch so etwas wie Hungerhaken. Auch wenn deren Chefin den Vergleich nicht gern hört, seit die DASLU-Chefin wegen Steuerbetrugs beim Import zu 90 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Über Magrellas Importverfahren ist uns nichts bekannt, in den Ständern hängen ohnehin überwiegend Produkte einheimischer Designer. Natürlich nicht ausgezeichnet. Preise sind Nebensache, bestätigt die Dame des Hauses. Im Hintergrund lockt die Champagner-Bar, oben wartet die Dachterrasse, und die besseren Kundinnen bekommen als kleines Dankeschön ein Schächtelchen erlesener Schokolade – aus der hauseigenen Fabrikation. Die liebsten Stammkundinnen, die durchaus um die 20.000 Dollar pro Monat bei Magrella lassen können, sind der Chefin eine hauseigenes Parfum als Präsent wert.
Ihre Kundinnen, so Cleuza, seien „hart arbeitende Geschäftsfrauen, die ihr Geld selbst verdienen und nicht von irgendwem zugeschoben bekommen.“ Überhaupt sei das ganze Gerede um Korruption und Geldwäsche vollkommen übertrieben. Man wohne und lebe eben gut in Brasília. Weil man arbeite.
Betty wohnt und lebt offensichtlich gut: Vielleicht zwei Hektar Grund direkt am Lago Sul – der exquisiten Wohnlage der Stadt – mehrere pavillion-ähnliche Wohn- und Atelierräume aus edlen Tropenhölzern und viel Glas. Betty sammelt nicht irgendwelche Kunst, sondern die Größten. Bei ihr hängen die Modelle, nach denen die Engel in der Kathedrale gefertigt wurden. Ihre Küchenwände sind mit Werken von Athos Bulcao gekachelt. „Fast alles Geschenke, die ich vor lange Zeit bekommen habe“, sagt sie, „es ist unglaublich, was das alles heute wert ist.“ Betty arbeitet grafisch. In einem historischen Eisenbahnwaggon, zu dem sie sich demnächst einen originalgetreuen Bahnhof in den Garten bauen lassen will. Obwohl sie selbst lieber fliegt, und zwar mit ihrem eigenen Flugzeug. Ihr Mann, der Anwalt, hat auch eines. Geld verdienen muss Betty nicht.
Lucio Costa soll an Menschen mit offenem Geist gedacht habe, als er Brasílias weitläufige Raumnutzung entwarf. In den Superquadras sollten Maurer und Künstler, Politiker und Wissenschaftler zusammen wohnen, sich in den Entrequadras Comerciais treffen und austauschen. Auch an Reiche hatte Costa gedacht. Die dürften auf weitläufigen Grundstücken ausnahmsweise architektonisch hochwertige Gebäude errichten, je einen Kilometer voneinander entfernt. Nur sollten diese Schmuckstücke nicht am Seeufer stehen. Denn das wäre nach dem Masterplan kein Wohn-, sondern ein Erholungsgebiet für die gesamte Bevölkerung geworden, mit Restaurants und Clubs und Sportanlagen.
Soweit der Plan. Aber wo Politik gemacht wird, findet sich immer ein Weg, Pläne umzumodeln. So lebt eben jetzt der Luxus am Lago Sul in Brasília. Für manche ist das auch sehr schön.
Foto: Agusto Areal / Lago Sul, Brasília
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