Donnerstag, 22. Oktober 2009

Franceneto, cabra da peste und demnächst Präsident?


Das ganze Dilemma der Lula-Nachfolge könnte so einfach gelöst werden. Dass er da noch nicht drauf gekommen ist! Während der mangelnde Charme seiner Bevorzugten Dilma durch die Kandidatur der grünen Marina noch stärker zu stören scheint und die Truppe um den Präsidenten verzweifelt hier und da Unterstützungs-Alliancen für die harsche Lady strickt, steht einer auf Abruf im Hintergrund. Dass Popularität allein schon für politische Ämter qualifiziert, ist bekannt. Vor allem, seit die Regelung für Wahlwerbung restriktiver geworden ist, gereicht ein bekannter Name zu Vorteilen auf dem Weg in die Politik.

Der inzwischen verblichene Designer Clodovil hat es vorgemacht: kein nennenswertes Programm, aber der meistgewählte Abgeordnete Sao Paulos. Romário, Ex-Fußballer und so pleite, dass er zwangsweise auf den Rasen zurück kehrte, ist kürzlich außerdem einer Partei beigetreten, deren Namen er sich zwar nicht merken kann, für die er aber als Abgeordneter kandidieren will. Der gutaussehende Hauptdarsteller der letzten Acht-Uhr-Tele-Novela, André Gonçalves, will ebenfalls kandidieren. Und auch Ex-Big-Brother Kléber "Bambam"will in die Politik. So gesehen träumt Frank einen verbreiteten Traum. Allerdings belässt er es nicht beim Träumen: 2006 bekam er bei seiner Wahl zum Abgeordneten die drittmeisten Stimmen aller Kandidaten seiner Partei. Kein schlechtes Ergebnis - so aus dem Stand. In diesem Jahr wird ein Film über Franks Leben gedreht – ein weiterer Pluspunkt auf Stimmenfang.

Es geht stetig aufwärts: Längst hat der Nachwuchs-Politiker den Abgeordneten-Job gegen den des Vize-Bürgermeisters in seinem Wohnort Sao Bernardo do Campo getauscht, wo es bereits ein Frank-Aguiar-Museum und eine Straße seines Namens gibt. Lula persönlich soll ihm vorgeschlagen haben, dafür anzutreten. Mit dem ist er seit vielen Jahren so gut befreundet, dass der brasilianische Präsident bei Frank schon zum Grillen war. Bei der Gelegenheit hat er in einer der sieben Suiten des Hauses übernachtet, die seitdem „Präsidentensuite“ heißt. Als Gilberto Gil sich aus der Politik verabschiedete, munkelten manche, Frank könne ihn als Kultusminister ablösen. Schließlich sind beide Musiker. Erhebt Gil, Mitbegründer der Bewegung Tropicalismo mit seinen Texten und Musik intellektuelle und politische Ansprüche, und musste deswegen unter der Militärdiktatur ins Exil gehen, hat Frank sich als Alleinunterhalter den Beinamen „Das Hündchen an der Hammondorgel“ verdient, weil er bei seinen Auftritten gelegentlich „au, au“ machte, wenn ihm der Text nicht mehr einfiel. Das sexy „au“ gehört inzwischen zu fast allen Songs, die mit Texten glänzen, wie „.Komm her reife Frau, komm her heiße Frau, das Sprichwort sagt: gewaschen, getrocknet, ist sie wie neu….“

Einer, der vor nur 15 Jahren aus dem armen Piauí auszog, und bereits Millionär und Vizebürgermeister in Sao Paulo ist, der kann alles werden. Sogar Präsident. Oder? Der Zeitschrift Veja sagt der Sänger und Politiker: „Ich bin ein Auserwählter“. Einer, der seinen Namen Franceneto da Luz Aguiar in einen international tauglichen „Frank“ ummünzt, überlässt auch sonst wenig dem Zufall. Frank Aguiar hat in den vergangenen 15 Jahren nicht nur – nach eigener Aussage - fünf Millionen Platten verkauft. Er hat außerdem einen Universitäts-Abschluss in Jura gemacht und arbeitet gerade an einem Master in öffentlicher Verwaltung. Anders als Präsidentschafts-Kandidatin Dilma, die erst Ende des vergangenen Jahres entdeckte, dass in Brasilien auch Politikerinnen dem Diktat der Schönheit unterliegen, ist Franceneto von Natur aus eitel: Jede Woche Maniküre, Lymphdrainage und regelmäßige Haarkuren für den Künstler-Pferdeschwanz gehören bei ihm längst zur Routine. Parfüm von Gaultier ist sein Markenzeichen.

Inhaltlich steht er ganz auf der Linie seines Grillkumpels Lula. „Ich interessiere mich für die menschliche Wärme der Arbeiter-Mutter, die uns umarmt und anfeuert. Ich interessiere mich für die Probleme der Ärmsten, für die Schwierigkeiten derjenigen, die bei den Entscheidungen der Politiker außen vor bleiben, und für die Ängste derjenigen, die immer noch im Kerker der sozialen Ausgrenzung leben“, beschreibt er sich auf seinem Blog. Vielleicht hat er sich das in den vielen Jahren als offizieller Wahlparty-Musiker der Arbeiter-Partei PT abgehört. Vielleicht hat er es auch selbst erfunden. Selbst jedenfalls lebt er nicht unbedingt bescheiden. Neben dem Personal in der Sieben-Suiten-Villa beschäftigt er 40 Berater und Assistenten. Je eine Truppe für sein öffentliches Leben, für sein Leben als Künstler und für sein Privatleben. Einer ist nur damit beschäftigt, dem Vielbeschäftigten die wichtigsten Filme und Bücher auszuwählen und zusammenzufassen. Ein anderer legt ihm die Kleidung für jeden Anlass zurecht. Eine dritte unterrichtet ihn in Rhetorik und hat ihm beigebracht, dass er „bei Reden keine Witze reißen soll“.

Das mag einem schwerfallen, der als Vize-Bürgermeister gerne bei Leuten aus dem Volk anruft und ankündigt: „Brat mal zwei Spiegeleier, ich komm dann zum Mittagessen“. Aber Lula ist ja bestes Beispiel dafür, dass einem beliebten Mann auch schlechtere Witze gern verziehen werden. Und Frank hat noch einen weiteren Pluspunkt vorzuweisen. Er ist nicht korrupt, sagt er. In seinen eigenen Worten heißt das: „Ich gehöre nicht zu den Hurensöhnen von Politikern, die dem Volk Geld stehlen.“

Da im Piauí, wo er herkommt, gibt es einen Ausdruck für Leute wie ihn. „Cabra da peste“ sagen sie da zu einem, der ein echter Kerl ist.

Foto: areavip.com.br

Samstag, 17. Oktober 2009

Plopp, da war die Kröte

Manche mögen allmählich denken, ich erfinde diese Tiere. Manchmal glaube ich selbst kaum daran, dass sie echt sind. Deswegen habe ich diesmal gleich das Original fotografiert. Und darüber andere, womöglich wichtigere Handlungen vergessen. Aber der Reihe nach. Letztens beim Zähneputzen wurden plötzlich meine Füße nass. Der Zusammenhang erschloss sich mir nicht sofort. War ja auch noch früh am Morgen und ich nicht ganz wach. Beim Gesicht Waschen wurden meine Füße noch nasser. Ein bisschen Anschauung im Bad brachte mich auf folgende Lösung des Rätsels: Das Wasser aus dem Waschbecken fließt in ein Abflussrohr, das einen zweiten Zulauf am Fußboden des Bades hat. Und was oben gerade abgeflossen war, spülte mir nun unten die Füße. Unschön.

Ich weiß, ganz Brasilien singt derweil fröhlich „wir sind Olympia“, wer nicht singt, bereitet sich auf die WM in Südafrika vor, andere nutzen die Gunst der Stunde, sich schnell illegal die Taschen zu füllen - und überhaupt gibt es viel Wichtigeres als eine Überschwemmung im Bad. Deswegen wollte ich das Problem so schnell wie möglich lösen. Stocherte also mit einem dicken Draht in dem unteren Abflussloch herum. Und brachte tatsächlich ein bisschen Sand und Laub zutage. Laub findet man in deutschen Abflüssen seltener, weil in deutschen Häusern zwischen Wohnraum und Dachziegeln meist ein Dachboden ist und also das Laub nicht einfach so durch Lücken zwischen den Ziegel herein flattern und womöglich unbemerkt heimtückisch daran arbeiten kann, Abflüsse zu verstopfen. Es gelang mir, noch ein wenig mehr Laub zu angeln, aber nicht sehr viel. Nicht genug, um das Problem zu beheben.

Die nächsten Tage übte ich also, mir mit möglichst wenig Wasser den Mund auszuspülen. Das Gesicht wasche ich seitdem in mehreren Etappen. Die verkraftet der Abfluss.

Gestern wollte ich das Bad putzen. Mit ungesund riechenden chemikalischen Zusätzen namens Pinho Sol: Falls es wegen des drohenden Wasserstaus nicht richtig sauber werden würde, hatte ich mir überlegt, sollte es doch wenigstens nach geputzt riechen. Fröhlich schrubbte ich den etwas sandigen Boden, die Dusche und die Wände und goss schließlich schwungvoll den letzten Rest Pinho-Sol-Putzwasser Richtung Abfluss.

„Plopp“ machte es da. Und wie im Märchen ploppte plötzlich eine kleine Kröte aus dem Abflussrohr in die Überschwemmung. Saß da auf dem Badezimmerboden und erzählte mir leider nichts von drei freien Wünschen. Die Kröte sagte gar nichts, sie saß nur da. Und ich rannte los, den Fotoapparat zu holen, damit mir das auch jemand glauben würde. Beim Fotografieren fiel mir auf, dass die Kröte beinahe exakt die Rohrgröße hatte. Sie musste sich nur ein winziges bisschen lang machen, um wieder in dem Rohr zu verschwinden. Weg war sie, als sei sie nur zum Fototermin aufgeploppt. Die Kröte war die Verstopfung, ganz klar!

Mein Vermieter fand das auch. Ich hätte es gleich ausprobieren sollen, kritisierte er, als die Kröte aus dem Rohr raus geploppt war, sofort das Wasser aufdrehen. Recht hatte er, aber ich musste ja fotografieren. Macht nichts, meinte er, schütte einfach wieder Pinho Sol in das Rohr. Dann wird sie wieder vor den Chemikalien flüchten, du nimmst sie und trägst sie tief in den Wald hinein, damit sie den Weg nicht mehr zurück findet. Kennt sich jemand mit dem Orientierungssinn von Kröten aus? Ich nicht. Ich machte mich auf eine weitere Wanderung gefasst.

Chemikalien in ein Rohr zu gießen, das verstopft ist, ist gar nicht so einfach. Ich träufelte den Krötenschreck über einen geraumen Zeitraum liebevoll hinein und wartete ab. Es geschah nichts. Keine Kröte. Kein Plopp. Keine Wanderung. Leider floss das Wasser trotzdem nicht ab. Wahrscheinlich hat das Krötentier die märchenhaften Wünsche einfach selbst genutzt und sich zuerst gewünscht, dass so ein Pinho Sol auf der Krötenhaut nicht mehr jucken sollte.

Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als morgen im Garten nach dem Rohr zu graben.

Foto: Wollowski
 
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