Donnerstag, 4. Februar 2010

Prä-kämpferische Duelle


Politiker sind keine Brasilianer, jedenfalls keine normalen. Scheut der normale Brasilianer offene Konflikte, schürt der brasilianische Politiker dieselben mit Vorliebe. Vor allem natürlich im Wahlkampf. Der hat in diesem Wahljahr noch nicht begonnen, wie kürzlich die Richter entschieden haben. Es hatten nämlich böse Zungen behauptet, Lula schicke seine Lieblingskandidatin Dilma Rousseff nur deswegen durchs ganze Land, um soziale und andere Errungenschaften gemeinsam mit dem Volk zu feiern, damit die Leute gleich wissen, wen sie im Oktober wählen sollen. Das wäre ungesetzlich. Weil Steuergelder und Regierungsämter nicht für den Wahlkampf verwendet werden dürfen. Dilmas Reisen aber sind ganz ok, auch wenn sie dabei ständig auf die Opposition schimpft. Weil Wahlkampf erst dann existiert, wenn es einen deklarierten Kandidaten und ebenso deklarierten Stimmenfang gäbe. So doof ist die Ministerin natürlich nicht, platt zu sagen: Wählt mich, Leute!

Als doof stellt da lieber der Präsident ganz undiplomatisch den Chef der Oppositionspartei hin. „Babaca“ hat er den Senator Sérgio Guerra mitten in einer Plenarsitzung genannt, weil dieser in einem Interview angekündigt hatte, seine Partei werde im Falle eines Wahlsiegs das mit reichlich Vorschusslorbeeren eingeführte und bis jetzt nicht gerade durchschlagend erfolgreiche Programm zur Beschleunigung der Entwicklung, PAC, abschaffen. Vielleicht hat den Präsidenten auch gestört, dass Guerra behauptet hat, das Programm diene vornehmlich dazu, den Wähler in die Irre zu führen.

Auf Lulas verbalen Ausbruch ließ der Oppositionsführer gleich schriftlich verbreiten, dass Dilma eine Lügnerin sei. Dem kann nicht mal widersprochen werden, denn es ist bekannt, dass die Ministerin ihren Lebenslauf um einen Universitätsabschluss an der hoch angesehenen Unicamp und einen Doktortitel derselben Universität geschönt hat. Guerra geht aber noch weiter. Wörtlich schrieb er:

„Dilma Roussegg lügt. Sie hat in der Vergangenheit über ihren Lebenslauf gelogen und verbreitet heute Lügen über ihre Gegner. Sie benutzt die Lüge als Methode. Setzt auf Desinformation des Volks und missbraucht den guten Glauben der Bürger.“ Harte Geschosse, auf die der PT-Präsident umgehend antwortete, indem er Sérgio Guerra als „Jagunço“* beschimpfte. Diese Art Duelle nennt die Presse hierzulande jetzt Prä-Wahlkampf.

Im eigentlichen Wahlkampf, der irgendwann im März beginnt, geht es dann vermutlich erst richtig zur Sache. Lula hatte bereits im Januar angekündigt, er erwarte Debatten auf hohem Niveau. Einerseits. Dass aber keiner glaube, er werde im Wahlkampf den „Liebe und Frieden“-Weg einschlagen. „Ich bin Capoeirista“, tönte der Präsident, von dem als einzige sportliche Aktivität gelegentliche Fußballspiele bekannt sind. „Ich weiß mich gegen Angriffe über Brusthöhe zu schützen.“ Von Angriffen unter der Gürtellinie hat er nicht gesprochen. Die teilt er vielleicht lieber selbst aus.

* Jagunços waren in längst vergangenen Zeiten die fest angestellten Mörder der Großgrundbesitzer .


Foto: gesehen bei o-mascate.blogspot.com

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Politik ist mitunter ein schmutziges Geschäft. Es bedarf keiner Reise nach Brasilien, um zu dieser Feststellung zu gelangen. Auch hierzulande geht es nicht immer mit rechten Mitteln zu.
Kontrahenten bestechen nicht alleinig dadurch, auf Ihre eigenen Qualitäten zu verweisen, auch hier ist (fast) jedes Mittel recht, um Mitbewerber in Misskredit zu bringen. Gut vorstellbar, das ein heutiger Präsident Brasiliens, der einst kämpferischer Gewerkschafter war, sich den einen oder anderen Seitenhieb nicht verkneifen kann. Obwohl ich selber schon glaube, das er neben den Stärken und Schwächen, die wir alle haben, als Mensch ganz okay ist. Und sicherlich noch mehr Bodenhaftung besitzt als manch andere Repräsentanten seiner Zunft. Dilma, schon rein optisch ist unverkennbar, dass sie nichts unversucht ließ, ihr Antlitz aufzupolieren. Okay, und hier muss eingestanden werden, dass der Art des Auftretens für einen erfolgreichen Wahlkampf (ungeachtet politischer Inhalte) wohl überall heutzutage große Bedeutung beigemessen wird.
Für etwas delikat erachte ich zumindest, sich mit fremden Federn zu schmücken, wie es mit (vermeintlichen oder tatsächlich erlangten/zuerkannten) akademischen Abschlüssen der Fall war, eher ein Armutszeugnis, sich für etwas zu verkaufen, was nicht zutrifft. Auch wenn der Zweck die Mittel heilige, das ist Vertrauensbruch, schlicht gelogen. Hat jemand, wer von sich selbst überzeugt ist, so etwas nötig?

 
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