Mittwoch, 13. Januar 2010

Kultur-Bons und ein Film fürs Volk


Hier in Brasilien ist es gesetzlich verboten und praktisch üblich, in Wahljahren die potentiellen Wähler durch Wahlgeschenke freundlich zu stimmen. Das geht von säckeweise Fischen über stundenlanges Freibier bis zu versprochenen oder gar errichteten Krankenhäusern, ausgearbeiteten sowie finanzierten Wirtschaftsankurbelungspaketen und allerlei Sozialprogrammen. Lulas bisherige Wahlerfolge haben nachweislich mit Sozialprogrammen zu tun. Wo besonders viele. Bolsa Familia*-Empfänger leben, gab es besonders viele Stimmen.

Ende letzten Jahres hieß es, die 11 Millionen Empfängerfamilien der Bolsa Familia könnten in 2010 auch eine Bolsa Celular empfangen, nämlich ein kostenloses Handy mit umgerechnet 2,80 Euro Guthaben pro Monat – von der Regierung steuerbefreit und von den Handy-Betreibern gestiftet. Eine Woche später zitierten die Medien Kommunikationsminister Hélio Costa so: „Ich will damit nichts mehr zu tun haben“. Kritiker hatten ihm vorgeworfen, Staatsmittel in einen Markt zu werfen, der mit 80 Prozent Handynutzern bereits gesättigt sei. Stimmt, Costa ist zu spät gekommen: gerade Geringverdiener legen großen Wert darauf, ein möglichst schickes teures Handy vorzuweisen.

Mit einer anderen Idee könnte Kultusminister Luca Ferreira eine weit innovativere Aktion gelingen: Die „Bolsa Cultura“ soll das Volk zur Kultur bringen. Mittels einer Art Kreditkarte, die von Regierung, Arbeitgebern und dem Arbeitnehmer selbst finanziert monatlich 50 Reais für diverse Kulturgenüsse von Kino bis Theater oder den Kauf von Büchern bereit stellt. Essensmarken für den Geist sozusagen. 14 Millionen Arbeitnehmer könnten davon profitieren, so die Rechnung des Kultusministeriums.

Als nächstes kommt dann wohl der „Freundinnen-Bon, der jedem Wähler eine Freundin garantiert“, unkte die Opposition. Es handele sich um eine Wahlkampf-Aktion, die nicht etwa Kultur fördern würde, sondern eher den Tanz der Jungwähler mit ihren Liebsten, in Musik-Schuppen der Peripherie, sagten Kritiker außerdem. Bereits im November, also noch im Vor-Wahljahr, hatte Lula den „Kultur-Gutschein“ gefeiert, dessen Einführung im Dezember vom Senat beschlossen wurde.

Gerade rechtzeitig. Anfang Januar ist „Lula – ein Sohne Brasiliens“ angelaufen, mit 12 Millionen Reais Produktionskosten der teuerste Film in der Geschichte dieses Landes. Er thematisiert nur die Jugend und Kindheit des Präsidenten, hält sich nicht dokumentarisch an die Fakten, sondern malt ein blütenweißes Heldenbild, in dem Klein-Lula die Mutter vor den Aggressionen des Vaters verteidigt, der Gewerkschafter später nur Bier trinkt statt Klaren und so fort. Kino ist teuer in Brasilien, in den Shoppingzentren kostet eine Eintrittskarte umgerechnet mehr als sechs Euro. Die Klassen C und D sehen normalerweise eher Screen-Shot-Raubkopien, als selbst ins Kino zu gehen.

Diesmal war das anders: Der Sohn Brasiliens lief genau dort hervorragend, wo Lula auch seine meisten Wähler sitzen hat. Im Nordosten. Bei den Klassen C und D. In Sao Paulo hingegen, waren die Eintrittszahlen kümmerlich. Als heimliches Wahlkampf-Instrument hat sich der Film damit nicht bewährt, da ihn Nicht-Lula-Wähler kaum gesehen haben. Dafür aber als Kultur-Aktion: Viele waren für Lula zum ersten Mal in ihrem Leben im Kino. Ob sie mit ihrem Kultur-Bon wohl auch eine gedruckte Lula-Biographie gekauft hätten?

NS. In abgelegene Kleinstädte ohne eigenes Kino soll der Film übrigens per Großleinwand gebracht werden. Damit auch wirklich jeder das kulturelle Großwerk des Jahres erleben kann.

* Bolsa Familie sind monatliche staatliche Hilfen für bedürftige Familien. Als Gegenleistung für die Geldzuwendung müssen die Familien z.B. nachweisen, dass die Kinder regelmäßig die Schule besuchen.

1 Kommentar:

Bruno hat gesagt…

Christine, nimm´s mir nicht übel. Aber ich habe nun schon 3x Deine abschließende Erläuterungen zu "* Bolsa Familie sind ..." gelesen. Verstanden habe ich es immernoch nicht! Klingt irgendwie umständlich formuliert (Desculpa, aber Du hattest uns ja vor einiger Zeit auch mal um Kritik gebeten.)
Boa Tarde,
Bruno

 
Add to Technorati FavoritesBloglinks - Blogkatalog - BlogsuchmaschineBrasilien