
Hier im Dorf können die Leute sich einfach nicht von der tollen Jahreszeit verabschieden: gestern tönte bis weit nach Mitternacht fröhlicher Live-Frevo durch die Hauptstraße, heute lärmt draußen ein allerletzter Karnevalszug. In dem feiern die Strandbuden-Inhaberinnen, weil die ja schließlich die ganzen anderen Tage arbeiten mussten. Um gar nicht erst in die Versuchung zu kommen, die schweren Frevo-Schritte zu probieren, lassen die Barfrauen dumpfe Axé-Rhythmen dröhnen.
Ich muss zugeben, dass ich in diesem Jahr geradezu karnevalsflüchtig war. Nach dem Galo kam der Regen, mit diesem eine Erkältung, allgemeine Mattigkeit und Bettschwere. Anders als mir ging es der Präsidentschaftskandidatin. Dilma Roussef, weit ab der Karnevalshochburgen in Minas Gerais geboren und eher als ehemalige Linksaktivistin denn als Karnevalsjecke bekannt, war in Olinda. Große Ehre für eine kleine Künstlerstadt.
„Sie ging zu Fuß“ bis zur Ehrentribüne oben im Regierungspalast, hieß es in einer Pressemitteilung. Kommt ganz volksnah rüber. Dabei ist allseits bekannt, dass die Kandidatin gerne mit ihrem Hund spazieren geht und also halbwegs gut zu Fuß sein muss. Außerdem würde am Karnevalssamstag selbst eine Regierungslimousine Schwierigkeiten haben, durch Olindas Gassen zu fahren. Auf dem Fußweg haben Dilma ein paar Passanten erkannt, meldet die Presse weiter. Vor allem Frauen.
Kein Wunder, dass es nur ein paar waren: Die Dame hat sich in den letzten Monaten so verändert, dass sie ohne Vorwarnung vermutlich nicht mal ihre eigene Mutter erkennen würde. Mag sein, dass die Aussicht, Präsidentin des Landes zu werden, an sich schon für fröhliche Stimmung sorgt. Zudem hat eine kleine OP die vormals chronisch hängenden Mundwinkel von Dilma angehoben. Die Tränensäcke sind weg, die Lider geliftet, die strengen Stirnfalten geglättet. Das Ganze sieht nicht mal besonders künstlich aus. Nur eben nicht mehr wie Dilma, so wie wir sie kannten.

Fotos: Leo Medeiros, NN