Freitag, 23. März 2007

Zucker für die Welt

In fünf Jahren könnte es soweit sein. Brasilien endlich ganz weit vorne in der Weltwirtschaft – und die Idee dazu hatte – wer sonst - Arbeiterpräsident Lula.

Sie lautet: Zucker für die Welt! Da die weltweite Verbreitung des Null-Hunger-Programms im Sinne von "Brasilianisches-Brot-für-die-Welt" nicht so recht gelungen ist, soll jetzt der Bio-Treibstoff Ähnliches schaffen: Eine brasilianische Vorrangstellung weltweit. Lula und sein US-Kollege Bush sind überzeugt, daß Brasilien das Zeug zum führenden Ethanol-Produzent hat.

Grundsätzlich haben sie gar nicht unrecht: Brasilien produziert nicht nur seit etwa 30 Jahren den Sprit aus Zuckerrohr, es fahren hier auch inzwischen 80 Prozent aller Neuwagen „flexibel“ – will sagen: mit beliebigen Mischungen aus Benzin und Ethanol. Der Alkohol ist billiger und sauberer: Es riecht an stark befahrenen Strassen lecker süßlich nach Schnaps statt nach Kohlendioxyd. Und Brasilien ist mit seinem Zuckerrohr-Kraftstoff effizienter als alle anderen: In den USA kostet die Biosprit-Gewinnung aus Mais ungefähr das Doppelte und in Europa aus Rüben noch mehr. Daher die Idee: Wir könnten für die anderen mit produzieren. Gerade jetzt, wo infolge des Kyoto-Protokolls alle gerne sauberer fahren wollen, sogar die USA, die das Protokoll nicht mal unterschrieben haben.

Toller Plan. Und voll im Trend: Schon in den letzten Jahren ist die brasilianische Ethanol-Produktion heftig hochgefahren worden, auf 16 Milliarden Liter im Jahr. Dafür sind 3 Millionen Hektar Zuckerrohr-Pflanzungen nötig. Wie viele Arbeiter zum Ernten angeheuert werden, hat niemand gezählt, sind ja auch meist nur saisonale Kräfte. Wollte Brasilien den kompletten Ethanol-Bedarf der USA decken, müßte es 20 Millionen Hektar mit Zuckerrohr voll pflanzen. Von vielen Arbeitsplätzen und neuem Wohlstand sprachen die Präsidenten, als sie sich Anfang des Monats getroffen haben. „Und nicht vergessen: Ich war es, der diese Idee schon bei unserem letzten Treffen auf den Tisch gebracht hat“, betonte Lula mehrfach.

Man könnte auch sagen: Zurück zur Monokultur. Zurück in die Kolonialzeit. Denn um den konkurrenzlos niedrigen Ethanol-Preis trotz hoher amerikanischer Importzölle aufrecht zu erhalten, müßten wohl für Lulas rosige Zukunftsvision noch viel mehr Arbeiter so leben, wie es auf den Plantagen bis heute vielfach üblich ist: Jede Erntezeit bringt neue Nester menschenverachtender Verhältnisse ans Licht, wo moderne Wanderarbeiter 10-12 Stunden täglich mit der Machete das scharfe Zuckerrohr ernten, nach gescnittenen Tonnen bezahlt werden (und dabei auf weniger als einen gesetzlichen Mindestlohn im Monat kommen) und abends in feuchten Baracken unterkommen, wo sie weder fließendes Wasser noch warmes Essen vorfinden.

Angesichts der vielversprechenden Gewinnaussichten haben bereits Firmen aus USA, Frankreich, England und Singapur eigene Ethanolfabriken in Brasilien geplant, auch die Japaner – drittgrößte Spritverbraucher der Welt – wollen Biotreibstoffprojekte im Land finanzieren. Ob die Investoren danach fragen werden, wo ihr Rohstoff für den Biosprit herkommt?

Keine Kommentare:

 
Add to Technorati FavoritesBloglinks - Blogkatalog - BlogsuchmaschineBrasilien