
Gestern tanzten im TV übermenschengroße disneyähnliche Puppen einen albernen Hüpftanz und sangen dabei schmalzige Melodien. Zuerst wollte ich gleich weiter schalten, aber dann guckte ich vorher noch schnell genauer hin: In den Puppen steckten Menschen, und die hüpften in einer Kirche herum und sangen Sachen wie: „….denn du musst, du musst in den Himmel hinein.“ Die Texte der modernen freikirchlichen Lieder sind gelegentlich etwas eigenwillig. Meine Nachbarin etwa hört besonders gerne ein Stück, dessen Refrain lautet: „Jesus, assa-me por dentro“, was auf Deutsch etwa heißen könnte: „Jesus, brate mich von innen“. Weitere mögliche Interpretationen lasse ich hier weg, um nicht pornographisch zu werden.
Bedrohlicher scheint mir dennoch der Refrain mit der Himmelseinfahrt. Denn das meinen die Pastoren anscheinend ernst. Jeder muss in ihren Himmel. Dafür tun sie alles. Schleichen Pastoren in Capoeira-Gruppen und neuerdings sogar in die Nationalelf ein. Die Fifa hat das ostentative Vorzeigen religiöser Botschaften bei den Interviews nach gewonnen Spielen bereits ausdrücklich verboten. Daraufhin hat einer sich das entsprechende Shirt um den Bauch gebunden… Schrift natürlich gut sichtbar. Man sieht: Die Gehirnwäsche klappt bestens.
Um den Weg in den Himmel zu finden, muss sich längst keiner mehr für Kirche und Religion an sich interessieren. Ähnlich wie die Scientologen, die in den 80er Jahren ihre Kunden durch Tests zur Selbsterkenntnis köderten – immerhin mitten in der Psycho-Ära - holen die Seelenfänger der evangelischen Freikirchen ihre Kunden dort ab, wo deren Interesse liegt. Vermutlich deswegen wachsen sie von allen Religionsgemeinschaften in Brasilien am schnellsten.

Die neuen Gläubigen lieben diese Kirchen wegen ihrer „Flexibilität beim, Ausdruck des Glaubens“, sagt Silvia Fernandes, Professorin aus Rio, die ein Buch über die evangelischen Bewegungen geschrieben hat. Diese Flexibilität geht so weit, dass etwa der Gründer der Kirche „Bola de Neve“ auf einem Surfbrett als Altar predigt- Weil er Surfer ist und im ersten Versammlungsraum kein anderer Altar zur Verfügung stand. Inzwischen gehört das geheiligte Surfbrett zur Ausstattung der Kirche, und aus sieben Mitgliedern sind 3000 Gläubige aller sozialen Schichten geworden. „Sport und Musik überwinden alle Barrieren“, sagt Kirchengründer Rinaldo Pereira. „Selbst Leute, die nicht gerne in die Kirche gehen, mögen Surf-Contests oder Reggae-Konzerte“. Oder Extreme Fight“. Wer in die Kirche kam, um den Kampf anzusehen, geht womöglich mit einem neuen Glauben nach Hause. Den kann er sich gleich auf den Arm schreiben: „Ich gehöre Jesus“ ist einer der Renner unter den Tattoo-Botschaften.

Klingt nicht ganz so schön, wie „du musst, musst, musst in den Himmel hinein.“ Aber auch das ließe sich durchaus noch steigern. Etwa zu: „Du musst, musst, musst in den Himmel hinein, sonst wirst du von innen gebraten“.
Fotos: NYT